GroKo: unbeliebt und uneins

Grafik: TP

Kurz vor Beginn der Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Großen Koalition spricht sich eine relative Mehrheit der Deutschen für Neuwahlen aus

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Am Sonntag beginnen die Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD. In der Bevölkerung wird eine Wiederholung dieses Machtteilungsmodells in der laufenden Legislaturperiode einer aktuellen INSA-Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins Focus nach nur von 30 Prozent der Befragten gewünscht. Für eine Minderheitsregierung sind 15 Prozent. Eine relative Mehrheit von 34 Prozent plädiert stattdessen für Neuwahlen, die einer absoluten Mehrheit von 52 Prozent der Befragten nach ohne Angela Merkel als Spitzenkandidatin der Union stattfinden sollten. Dafür, dass sie noch einmal antritt, sind nur 32 Prozent.

Die von INSA gemessene Stimmung spiegelt sich auch in Sozialen Medien wieder, wo diese Woche der Hashtag #WerEsBesserKönnte Konjunktur hatte. Er entstand, nachdem der CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer twitterte: "Man muss die Gegner der Kanzlerin nur fragen, wer es besser könnte - schon ist Ruhe!" Danach führten Twitter-Nutzer massenhaft auf, wer die Aufgabe des Bundeskanzlers ihrer Meinung nach besser erledigen könnte als Angela Merkel: Zum Beispiel ein Hütchenspieler, Dicki aus der Loriot-Weihnachtsepisode, die Kommunalpolitikerkarikatur Horst Schlämmer, die Comicfigur Isnogud, das Faultier aus dem Disney-Film Ice Age, ein herumirrender Hund mit einer Schachtel über dem Kopf, ein kopfloses Huhn oder die Trinkente aus den Simpsons.

Häufiger genannt wurde dabei der neue österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, den einer repräsentativen Emnid-Umfrage nach 38 Prozent der Deutschen gerne als Politiker in ihrer Heimat hätten. Der deutsche Spiegel setzt währenddessen auf die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als mögliche Merkel-Nachfolgerin. Sie könnte dem Magazin nach als Arbeits- und Sozialministerin einer neuen Großen Koalition in die Bundespolitik einsteigen und später Kanzleramt und Parteivorsitz übernehmen.

Unterschiedliche Positionen

Bevor es zu so einer Großen Koalition kommt, müssen sich CDU, CSU und SPD aber erst noch in Fragen einigen, in denen sie bislang unterschiedliche Positionen propagieren: Zum Beispiel in der Bildungspolitik, aus der die Unionsparteien (anders als die SPD) den Bund weiter heraushalten wollen, weil sie Experimente fürchten, die in den von Sozialdemokraten und Grünen regierten Ländern in der Vergangenheit nicht unbedingt zu einer Niveauanhebung führten (vgl. Viertklässlervergleich: Baden-Württemberg abgestürzt).

In der Energiepolitik wollen Union und SPD zwar dafür sorgen, dass überschüssiger Ökostrom nicht mehr für einen Negativpreis ins Ausland abgegeben wird - aber sie haben noch keinen gemeinsamen Plan, wie das erreicht werden soll. Pumpspeicher, die Abhilfe schaffen könnten, wurden in der letzten Legislaturperiode von der Großen Koalition eher behindert als gefördert (vgl. Das Ende des Pumpspeicherwerks Atdorf im Hotzenwald).

Streit um medizinische oder sozialpädagogische Altersfeststellung

In der Migrationspolitik streitet man nach zwei Morden durch mutmaßlich volljährige Asylbewerber, die sich des Abschiebungsschutzes und anderer Vorteile wegen als Minderjährige ausgaben, und nach einer lange vergeblichen Suche nach einen Serienvergewaltiger, der als etwa 30-Jähriger beschrieben wurde, aber als 17-Jähriger gemeldet war, um eine medizinische anstatt der bisherigen sozialpädagogischen Altersfeststellung.

Unionspolitiker wie Joachim Herrmann, Thomas Strobl, Julia Klöckner und Annegret Kramp-Karrenbauer plädieren für Röntgenuntersuchungen der Handwurzelknochen, wie sie in Österreich in Zweifelsfällen vorgeschrieben sind. Mit ihnen lässt sich das Alter auf etwa zwei Jahre genau bestimmen.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Maria Luise Dreyer (die für die SPD im Sondierungsteam sitzt) und der SPD-Jungendverbandsvorsitzende Kevin Kühnert lehnen dagegen eine Änderung der bisherigen Praxis ab. Auf Kühnerts Begründung hin, dadurch würden "Leute wie im Zoo begutachtet", erinnerte man sich in Sozialen Medien an die Wehrdienstmusterung, und an verpflichtende Untersuchungen für Beamtenbewerber, Schwerbehinderte, Schüler oder Imbissbudenbetreiber.

Ein möglicher Kompromiss in dieser Frage kommt nicht von einem Politiker von Union oder SPD, sondern vom grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Er schlug vor, Asylbewerber, die ihre Minderjährigkeit nicht eindeutig durch Dokumente oder ihre Erscheinung nachweisen können und sich nicht röntgen lassen wollen, als Erwachsene zu behandeln.