DLD: Wie sich Europa gegenüber China und den USA künftig behaupten will

"Wiedereroberung" lautet das Motto der diesjährigen DLD. Europas Politik und Wirtschaft sucht händeringend nach einem "Dritten Weg", um gegenüber den USA und China nicht weiter ins Hintertreffen zu gelangen.

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(Bild: Hubert Burda Media)

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Von
  • Monika Ermert

Europa muss dringend seine Rolle bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz und anderer digitaler Zukunftstechnologien definieren, sagte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Auftakt von Burdas Digital Life Design (DLD) 2018 Konferenz. Im bis zum allerletzten Platz besetzen Münchner Literaturhaus warnte Gabriel am Samstag Abend, dass aktuell nur noch ein Land eine klare geopolitische Strategie in der Digitalpolitik hat: China. Als Partner wünscht sich der noch amtierende deutsche Außenminister die USA zurück.

"Die globale Kontrolle von Daten durch die Big Five, deren Überwachungskapitalismus und der auf leisen Sohlen vollzogene Import US-amerikanischer Gesetze und Werte haben Europas Bevölkerung und Politiker gleichermaßen verärgert,“ sagte Gabriel.

Analog zum Import von US-Werten muss sich der Westen dann auch überlegen, wie er mit Entwicklungen wie dem von Chinas IT Sektor für seine Regierung ausgerollten Social-Credit-System umgehen will. Mit diesem System wird das Wohlverhalten chinesischer Bürger überwacht und belohnt. Laut Gabriel müsse Europa seinen eigenen Weg finden, und seine strategischen und ökonomischen Interessen – "nicht nur unsere Werte" – definieren.

Europa lasse sich ablenken von der von Gabriel hervorgehobenen dringlichen Aufgabe, eine echte Vision für die digitale Gesellschaft der Zukunft zu entwickeln, sagte Risikokapital Investor Albert Wenger von Union Square Ventures. Europas Antwort durch die Datenschutzgrundverordnung ist im aber zu kompliziert.

Die US-Politik habe komplett abgedankt, wenn es um die Formulierung eines geostrategischen Konzepts gegenüber einem künftigen Technologieführer China gehe, wetterte die US-Finanzjournalistin Megan Murphy.

Eine mögliche europäische Antwort auf eine digitale Zukunftfrage will Sami Haddadin, designierter erste Chef des an der Technischen Hochschule München neu eingerichteten Münchner Instituts für Robotik, mit "lernenden Maschinen für jedermann" geben. Die Gesellschaft müsse bei den Entwicklungen künstliche Intelligenz mitgenommen werden, riet Haddadin. Statt der Bedrohung durch den Jobkiller Automatisierung müssten die Möglichkeiten und Chancen der Technologie für das Individuum herausgekehrt und auch entwickelt werden, erklärte er.

Die drastischen Umwälzungen durch die zunehmende Automatisierung dürften aber nicht unterschätzt werden, warnte Carl Benedikt Frey, Ko-Direktor des Oxford Martin Programm zu Technologie und Beschäftigung am Oxford Martin Programm an der Universität Oxford. Frey nannte die zunehmende Verstädterung, den Verlust von Mittelklasse Jobs und extreme Verwerfungen im Geschlechterverhältnis als Probleme, die es zu lösen gelte. Weil Männer ihre Vorteile auf dem Arbeitsmarkt durch die Automatisierung verlieren – und Frauen mehr vor dem Computer sitzen – werde es Prognosen zufolge weniger klassische Familien und mehr sozial deviante Männer geben. Auch auf solche Entwicklungen müsse die Politik eine Antwort finden.

(hag)