Killer-Viren nach Maß

Wenn Antibiotika gegen Bakterien nicht mehr wirken, können Viren nützlich sein. Bislang war es sehr schwierig, die richtigen Typen dafür zu finden, doch DNA-Sequenzierung und künstliche Intelligenz helfen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Emily Mullin
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Patienten, deren Leben durch unkontrollierbare Bakterien-Infektionen bedroht ist, könnten neue Verbündete finden: Killer-Viren, auch als Phagen bezeichnet. Bewaffnet mit Fortschritten bei DNA-Sequenzierung und künstlicher Intelligenz, haben sich einige Start-ups auf der Suche nach Alternativen zu Antibiotika diesen natürlichen Feinden von Bakterien zugewandt.

Solche Alternativen werden dringend gebraucht, denn immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen die heute eingesetzten Medikamente. In den USA infizieren sich pro Jahr rund zwei Millionen Menschen mit resistenten Bakterien, und mindestens 23.000 von ihnen sterben daran.

Die Ausbildung von Resistenzen gegen Phagen ist deutlich weniger wahrscheinlich, weil jeder Typ davon nur eine bestimmte Bakterien-Art infiziert. Sie dafür einzusetzen, ist deshalb keine neue Idee. Allerdings konnte man bis vor kurzem kaum mehr tun als raten, um den richtigen Typ Phagen zu finden. Manchmal injizierten Ärzte Patienten einen davon mit Erfolg, manchmal ohne.

Als Folge davon wird die Phagen-Therapie derzeit nur bei den kränksten Patienten als letzter Rettungsversuch eingesetzt. Doch mit Hilfe von DNA-Sequenzierung und künstlicher Intelligenz könnte es deutlich einfacher werden, die richtigen Phagen zu finden, so dass diese Strategie in der Praxis häufiger zum Einsatz kommen könnte.

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"Wir können eine Phage schnell sequenzieren und sagen, das ist exakt die DNA-Sequenz, die wir brauchen", erklärt Paul Grint von AmpliPhi Bioscience, einem Start-up, das Kombinationen von Phagen im Voraus zusammenstellt, um Bakterien-Infektionen wie mit Staphylococcus aureus zu bekämpfen. "Im Idealfall wollen wir ein Produkt, das wir aus dem Kühlschrank nehmen und einem Patienten verabreichen können", sagt Grint.

Phagen leben oft an schmutzigen Orten wie Abflüssen, also müssen Wissenschaftler sie zunächst isolieren und purifizieren. Anschließend stellt AmpliPhi mittels DNA-Sequenzierung sicher, dass kein ungewünschtes genetisches Material etwa von potenziell schädlichen Krankheitserregern mehr darin enthalten ist.

Ein weiteres Start-up, Adaptive Phage Therapeutics, will mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Therapien für einzelne Patienten maßschneidern. Derzeit nutzt das Unternehmen einen Labor-Test, der mindestens acht Stunden und bis zu einem oder zwei Tagen dauert, um zu bestimmen, welche Phage oder Phagen am besten gegen einen bestimmten Bakterien-Strang wirken dürften.

Zusammen mit dem Zeitaufwand für den Transport von Phagen ins Krankenhaus kann das aber für manche Patienten schon zu lang sein, sagt der CEO Greg Merril: "Wenn ein Patient in einem kritischen Zustand ist, zählt jede Minute". Also versucht sein Unternehmen, den Prozess zu automatisieren. Es entwickelt einen Maschinenlern-Algorithmus, der Daten aus den Genomen von Phagen wie Bakterien verwendet. Forscher trainieren dieses System darauf, Phagen auszuwählen, die einen bestimmten Bakterien-Strang infizieren können.

Merril schwebt für die Zukunft eine KI-App vor, die in Krankenhäusern zusammen mit einem Ausgabe-System eingesetzt wird. Sie soll die effektivste Phage oder Phagen-Kombination für einen konkreten Patienten identifizieren und innerhalb von Minuten die passende Behandlung bereitstellen.

Bis dahin dürfte es noch etwas dauern. In der Zwischenzeit will Adaptive Phage Therapeutics das KI-System in seinem Büro in Maryland nutzen, um den besten Verhandlungsverlauf für Patienten zu bestimmen; anschließend wird die richtige Phage aus seiner Sammlung ausgewählt und ins Krankenhaus geschickt.

AmpliPhi wie Adaptive Phage Therapeutics haben bislang mit Erfolg mehr als zwei Dutzend Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen behandelt. Derzeit sind im Rahmen einer Notfall-Erlaubnis der US Food and Drug Administration einige weitere bei ihnen in Therapie.

Wenn die neuen Ansätze funktionieren, könnte die Phagen-Therapie zu einer normalen Option für die Behandlung von Bakterien-Infektionen werden. Beide Start-ups planen klinische Studien, um festzustellen, ob ihre Therapien bei der Bakterien-Bekämpfung besser sind als aktuelle Antibiotika. Die Studien könnten schon in diesem Jahr beginnen.

(bsc)