Enttäuschende Massen-Studie

Gen-Forscher haben auf der Suche nach den Ursachen von Schlaflosigkeit die DNA von gut 1,3 Millionen Menschen analysiert – nicht ohne Erfolg, doch noch umfangreichere Studien dürften bald folgen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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In einer Gen-Studie von bislang unerreichtem Umfang haben Wissenschaftler die vererblichen Ursachen von Schlaflosigkeit in der DNA von 1.310.010 Menschen untersucht. Dabei fanden sich 956 unterschiedliche Gene, die in Zusammenhang mit Schlafstörungen stehen. Die Forscher sind also einer Erklärung für die Auslöser nähergekommen – und möglicherweise auch neuen Behandlungsmöglichkeiten.

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Gleichzeitig dürfte die Studie die erste Gen-Analyse sein, für die DNA von mehr als einer Million Menschen analysiert wurde. „Das ist unglaublich viel“, sagt Stuart Ritchie, ein Psychologe und Gen-Forscher an der University of Edinburgh. Entsprechend fielen die Äußerungen von anderen Fachleuten auf Twitter aus: „Holy crap!“, „riesig“ oder schlicht „wow!“.

Bei dem Projekt wurden DNA- und Gesundheitsdaten analysiert, die von der UK Biobank und dem Gentest-Anbieter 23andMe gesammelt worden waren. Geleitet wurde es von Danielle Posthuma, einer Neurowissenschaftlerin mit dem Spezialgebiet statistische Genetik an der Vrije Universität in Amsterdam.

Bei solchen „genomweiten Assoziationsstudien“ wird die DNA von Menschen mit einer bestimmten Krankheit und ohne sie verglichen. „Ich weiß von mehreren Studien mit mehr als einer Million Personen. Das wird sehr häufig werden“, sagt Guillaume Lettre, ein Genetiker am Montreal Heart Institute, das an einem früheren Rekord beteiligt war: einer Größen-Studie mit DNA-Proben von mehr als 700.000 Menschen. „Ich denke, zwei Millionen sind schon in Reichweite.“

Noch vor einem Jahrzehnt hofften Wissenschaftler, dass eine relativ kleine Zahl von Genen beispielsweise würde erklären können, welche Menschen Diabetes bekommen. Dann aber brachten frühe Genom-Assoziationsstudien kaum greifbare Ergebnisse. „Wir haben festgestellt, dass wir am ehesten zu Erkenntnissen kommen, indem wir die Größe der Stichprobe erhöhen. Die Gene, die wir finden, haben geringe Auswirkungen“, sagt Lettre.

Dass die Eine-Million-Marke bei Schlaflosigkeit gebrochen wurde, ist keine Überraschung. Sie ist ein häufiges Problem, von dem 30 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Eine Definition dafür lautet, dass unter Schlafstörungen leidet, wer sich über mehrere Monate mindestens dreimal pro Woche schlaflos im Bett wälzt. Zum Teil ist Schlaflosigkeit ererbt – man leidet also eher darunter, wenn auch die eigenen Eltern davon betroffen sind.

Eine Vorschau auf ihre Ergebnisse haben die Forscher im Internet veröffentlicht. Die von ihnen entdeckten genetischen Ursachen hätten Überschneidungen mit denen für Depression und Angststörungen, heißt es darin. Zwar sagen manche schlaflosen Menschen, ihnen bleibe immerhin mehr Zeit, um Dinge zu erledigen.

Doch wie die Wissenschaftler feststellten, hängt das Problem mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für schulische Erfolge und mit einer kürzeren Lebensdauer zusammen.

Möglicherweise enthalte ihre Gen-Liste „neue Ziele für Therapien“, schreiben die Forscher außerdem. Jedoch wird es nicht einfach sein, einen Weg zu neuen Medikamenten zu finden, weil die meisten einzelnen Gene nur minimale Bedeutung für Schlaflosigkeit haben.

Hinzu kommt: Die von dem Team mit Schlaflosigkeit in Verbindung gebrachten Gene erklären nur 10 Prozent der Gesamtwahrscheinlichkeit dafür, dass eine bestimmte Person darunter leidet. Posthuma bezeichnet das Ergebnis als „ein kleines bisschen enttäuschend“, wenn man sich das enorme Ausmaß der Gen-Jagd vor Augen halte.

Das kann nur Eines bedeuten: Noch größere Studien werden folgen.

(sma)