Live-Spritze mit Herpes-DNA

Ein Biotech-CEO kämpft dafür, dass jeder sich selbst Gentherapien injizieren darf. Wie das aussehen soll, konnte jeder auf Facebook mit verfolgen. Doch Experten warnen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Emily Mullin
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Bei einer Biotech-Konferenz im US-Bundesstaat Texas ging Aaron Traywick auf die Bühne, zog seine Hose herunter und setzte sich selbst eine Spritze mit einer experimentellen Herpes-Therapie, die von seinem Unternehmens Ascendance Biomedical entwickelt wird, in die Hüfte.

Das gesamte Geschehen wurde am 4. Februar auf Facebook Live übertragen. Es war eher Performance-Kunst als Wissenschaft, und selbst das Publikum – ein Raum voller Menschen mit Interesse an Eigen-Experimenten – schien skeptisch.

Traywicks Show ist nur das neueste Beispiel für Selbst-Injektionen durch so genannte Biohacker, die über wenig oder keine medizinische Ausbildung verfügen, sich aber trotzdem angebliche Therapien aus DNA-Strängen verabreichen, die sie im Internet bestellt haben.

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Experten bezeichnen solche Therapien als wahrscheinlich wirkungslos und möglicherweise gefährlich; auch die US-Gesundheitsbehörde FDA warnte im vergangenen November vor „do it yourself“-Gentherapien.

Gegenüber Technology Review sagte Traywick, der 28 Jahre alte CEO von Ascendance mit einem Bachelor-Abschluss in interdisziplinären Studien, seine Aktivitäten seien als politisches Statement zu verstehen. „Die Therapien, die wir entwickeln, haben das Potenzial, Privatleuten ohne Beteiligung eines Arztes oder der Gesundheitsbranche die Möglichkeit zu geben, Therapien selbst zu entwickeln und sich selbst zu verabreichen“ erklärt er. „Ich betrachte Gentherapie als absolut politisch.“

Außerdem hat er Herpes, und das wäre er gerne los.

Bislang gibt es keine Belege dafür, dass die Therapien von Ascendance funktionieren – und nicht einmal sehr viele Informationen darüber, woraus sie bestehen. In einem Interview sagte Traywick, er wolle sich selbst einen „lebendigen abgeschwächten Herpes-Virus mit einem fehlenden Protein“ injizieren. Nach anderen Berichten enthielt die Injektion manipulierte Exemplare des DNA-Codes des Virus.

Sogar andere Biohacker äußern Kritik. In einem Facebook-Beitrag am 4. Februar schrieb Josiah Zayner, ein DIY-Biologe und CEO von The Odin, Ascendance führe die Öffentlichkeit massiv in die Irre und lasse die Biohacker-Community aussehen wie „idiotische Scammer“. Wie Zayner sagt, bereut er inzwischen, dass er im vergangenen August eine öffentliche Injektion des Gen-Editierwerkzeugs CRISPR bei sich vorgenommen hat, die er ebenfalls live im Internet übertrug.

Die FDA äußerte sich nicht direkt zu dem Ascendance-Geschehen, teilte aber allgemein mit: „Wenn ein Studien-Sponsor (üblicherweise der Hersteller, potenzielle Vermarkter oder einzelne Arzt) ein nicht zugelassenes Produkt an Menschen testen möchte, muss ein Antrag für ein neues Forschungsmedikament bei der FDA eingereicht werden und 'aktiv' sein, bevor das Forschungsprodukt eingesetzt werden darf.“

Ascendance selbst bezeichnet seine Aktivitäten als legal. „Wir kennzeichnen alles als nicht für den menschlichen Gebrauch – technisch gesehen“, sagte Traywick trocken während seiner Live-Streams.

So viel Traywick auch über die Demokratisierung der Biomedizin-Forschung spricht, Ascendance Biomedical ist selbst nicht besonders transparent. Das in Singapur eingetragene Unternehmen hat bislang keine wissenschaftlichen Fachaufsätze publiziert, veröffentlicht nur wenige Details über sein Führungspersonal und weigert sich, die Namen seiner Investoren zu nennen.

Derzeit lädt Ascendant dazu ein, sich auf einer Warteliste von Interessenten für eine von vierzehn verschiedenen Therapien einzutragen, die das Unternehmen nach eigenen Angaben entwickelt. „Es gibt da draußen sehr viele Unternehmen, die ständig Heilmittel und Durchbrüche versprechen, die dann aber einfach nicht zu kommen scheinen“, sagt Traywick.

(sma)