Missing Link: Cyberwar in der Trump-Ära - gezielter Angriff auf die Idee von Wahrheit
Geisteswissenschaftler machten sich daran, das schwammige Konzept der informationellen Kriegsführung zu entschlüsseln und Auswege aufzuzeigen. Ihnen zufolge ziehen Wirtschaft, Militär und Politik beim Cyberwar an einem Strick.
Kaum ein größeres soziales oder politisches Ereignis kommt noch ohne digitale Komponenten aus. Immer öfter besteht damit die Gefahr, "gehackt" und in die ein oder andere Form einer "Cyber-Auseinandersetzung" hineingezogen zu werden. Nach Berichten über Meinungs- oder gar Ergebnismanipulationen rund um Wahlen in vielen Ländern sind die Olympischen Winterspiele in Südkorea das jüngste Beispiel. Neben dem US-amerikanischen Department of Homeland Security warnen aktuell mehrere IT-Sicherheitsfirmen davor, dass die sportlichen Wettkämpfe in Pyeongchang im Visier von "Cyberkriminellen" einschließlich staatlicher Akteure seien.
Die Elemente einer solchen Geschichte, wie sie gerade die "New York Times" verbreitet, ähneln sich weitgehend. Was genau passieren könnte, weiß keiner. Natürlich sind aber auch die diesjährigen Spiele "die am stärksten digitalisierten seit jeher" und daher "reife Ziele" für böswillige Hacker, die nach blamablen Informationen über Athleten und Veranstalter Ausschau halten oder einfach auf Ärger aus sind. So könnten Ergebnisse gefälscht oder Signalanlagen außer Kraft gesetzt werden.
Die Zeitung zitiert McAfee mit dem Hinweis, dass schon 300 "Olympia-bezogene Computersysteme" getroffen und in Folge viele davon kompromittiert seien. Gerade laufe offenbar eine zweite Angriffswelle, mit der Daten von den Rechnern der Opfer abgezogen würden. Die Attacken seien "gut organisiert" und ließen darauf schließen, dass eine Staatsmacht dahinterstecken könnte. Die Konkurrenten von FireEye zeigen bereits in Richtung Russland und die ominöse Hackergruppe " Fancy Bear", die natürlich nicht fehlen darf und die mit russischen Geheimdiensten in Verbindung gebracht wird. Motivation in diesem Fall ist der Ausschluss von Athleten der Großmacht wegen systematischem Doping. Zudem stünden Olympische Spiele immer auch für den Nachweis allgemeiner Stärke und Einfluss.
Der "Blitzkrieg" des 21. Jahrhunderts
25 Jahre ist es her, seit die US-Forscher John Arquilla und David Ronfeldt den Begriff "Cyberwar" mit einem viel beachteten Büchlein prägten und populär machten. Die beiden Militärberater verstehen darunter eine Art "Blitzkrieg" des 21. Jahrhunderts. Kern des Konzepts sind massive Angriffe auf kritische Infrastrukturen des Gegners samt seiner Kommunikationssysteme verbunden mit dem Versuch, die Informationsüberlegenheit über den Gegner zu gewinnen.
Seitdem haben Experten zahlreiche Szenarien über die Verwundbarkeiten der digitalen Gesellschaft und ihrer vernetzten Basis unter militärischen, politischen oder ökonomischen Gesichtspunkten entwickelt. Arquilla selbst legte als Professor für Information Warfare an der Naval Postgraduate School im kalifornischen Monterey 1998 nach und erregte Aufsehen mit einem Horrorbericht über den großen Hackerkrieg im Jahr 2002 in der Hightech-Postille "Wired". Alles fängt mit dem Crack mehrerer wichtiger Nachrichtenseiten im Netz durch die "People for a Free World" an, die zunächst kaum jemand ernst nimmt. Plötzlich laufen falsche Newsmeldungen über CNN, Flugzeuge kollidieren, im gesamten Westen der USA fällt der Strom aus und eine Mikrowellenbombe explodiert im Pentagon.
Manches davon ist nach wie vor Fiktion, doch in einigen Punkten ist der damals mit Schaudereffekten beschriebene Cyberwar längst Wirklichkeit geworden. Das Konzept bleibt dabei vergleichsweise vage, geht fließend über in die "informationelle Kriegsführung" oder den "Netwar", der laut Arquilla und Ronfeldt ganze Gesellschaften und ihre Kommunikationswege und Medien umfasst. Ganz im Sinne der psychologischen Kriegsführung geht es dabei darum, die Meinung der Öffentlichkeit oder einer Elite durch Propaganda, Medienkampagnen oder die "Infiltrierung von Computernetzwerken und Datenbanken" zu beeinflussen.