Petro: Venezuela beginnt mit Vorverkauf seiner Kryptowährung

Ein staatliches Kryptogeld, besichert mit 5 Milliarden Barrel Rohöl: Das will Venezuela mit dem Petro erschaffen. Am heutigen Dienstag begann schon mal ein Vorverkauf für Anrechts-Tokens auf die Währung.

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Petro: Venezuela beginnt mit Vorverkauf seiner Kryptowährung
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Venezuela will eine durch Öl gedeckte Kryptowährung namens Petro einführen – am heutigen Dienstag ist die erste von zwei Verkaufsphasen zur Einführung gestartet. Es handelt sich um einen offenbar geschlossenen Vorverkauf von 38,4 Millionen Tokens nach ERC20-Standard, die innerhalb eines Smart Contracts auf der Ethereum-Blockchain erzeugt wurden. Diese Tokens sollen dann später in die eigentlichen Einheiten des Petro getauscht werden können.

"Der Petro ist geboren und wir werden einen großen Erfolg für den Wohlstand Venezuelas erleben“, sagte Staatspräsident Nicolas Maduro laut einem Bericht des Fernsehsenders Telesur. Angesichts der Wirtschaftssanktionen der USA und des Devisenmangels will sich die venezolanische Regierung mit dem Petro wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten verschaffen.

Auf die erste Verkaufsphase soll dann nach dem 20. März der öffentliche Verkauf und die eigentliche Erschaffung des Petro folgen, weitere 44 Millionen Einheiten sollen dabei ihre Käufer finden. Zugleich sollen die Käufer aus der ersten Phase ihre Tokens nun in die echten Petros umtauschen können. 17,6 Millionen Petro bleiben laut einer seit Ende Januar kursierenden englischen Fassung des Petro-Whitepapers in Händen des Staates.

Die gesamte Geldmenge soll zunächst 100 Millionen Einheiten betragen, weitere Emissionen seien dem Staat nicht möglich. Das Whitepaper deutet an, dass das Recht auf Eintragung neuer Blöcke in die Blockchain über ein Proof-of-Stake-Verfahren verteilt werden könnte, also auf Basis des Besitzes der Währung. Das Netzwerk solle nicht weiter genannte Anreize für die Teilnahme daran geben. Das gesamte Verfahren könne aber mit nur Einverständnis der Petrohalter aktiviert werden. Ein Petro soll wie beim Bitcoin bis auf acht Nachkommastellen teilbar sein; die kleinste Einheit, also 0,00000001 Petro, soll Mene heißen.

Genauere technische Details über die Blockchain, den Charakter des Petro-Netzwerks oder auch eine fertige Wallet-Anwendung finden sich bislang noch nicht. Die offizielle Webseite zum Petro ist zur Stunde nicht erreichbar. Als Preis für einen Petro wird der Preis für einen Barrel Öl angesetzt – rund 62 US-Dollar. Das kommt nicht von ungefähr, denn die größte Besonderheit ist das Versprechen der Regierung, den Wert des Petro mit Öl zu hinterlegen.

Die Kryptowährung soll durch ein Ölfeld im Orinoco-Gürtel abgesichert sein, in dem Berichten nach eine Fördermenge von fünf Milliarden Barrel Rohöl liegt (ein Barrel sind 159 Liter). Insgesamt verfügt das erdölreichste Land der Welt nach eigenen Angaben über Reserven von 267 Milliarden Barrel. Ebenfalls sollen auch Gold- und Diamantenvorkommen zur Deckung der Währung herangezogen werden. Unklar bleibt, wie Investoren im Fall des Falles die Besicherung einlösen können und die Rohstoffe für ihre Petros bekommen. Ebenfalls verspricht der venezolanische Staat Steuer- und Gebührenzahlungen in Petro anzunehmen.

Unklar bleibt auch, wer genau die Investoren der geschlossenen ersten Phase sind. Carlos Vargas, der Leiter des staatlichen Kryptogeldprojekts, sprach gegenüber Telesur von Investoren aus Katar, der Türkei und anderen Teilen des Mittleren Ostens, ebenso aber auch Europäern und US-Amerikanern.

Dabei soll die hochinflationäre Landeswährung Bolivar in beiden Verkaufsphasen außen vor bleiben, wie aus dem Bericht von Telesur hervorgeht – gekauft werden kann wohl nur mit harten Währungen wie dem US-Dollar oder mit anderem Kryptogeld. Käufer mit Bolivar sollen dann erst später im Zweitmarkt über Handelsplätze zum Zuge kommen.

Für Venezuela soll die Kryptowährung der Ausweg aus der massiven Wirtschaftskrise des Landes sein. Mehrere Ratingagenturen sehen bereits eine Teil-Pleite in Venezuela. Als Gründe gelten unter anderem Misswirtschaft der sozialistischen Regierung und auch der seit Jahren relativ niedrige Ölpreis. Wegen der rasanten Inflation steigt die Zahl der hungernden Menschen, zudem fehlen Devisen, um genug Lebensmittel und Medikamente einzuführen.

Das virtuelle Geld soll einen Zahlungsverkehr ermöglichen, der unabhängig von Regierungen und Banken funktioniert – in Venezuela wird der Bitcoin wegen des Verfalls des Bolivar gerade unter jungen Leuten schon länger intensiv als Alternativwährung genutzt. Beim Petro ist aber völlig unklar, ob dieses recht einmalige Experiment eines Staates im Kampf gegen eine akute Zahlungsnot und Finanzkrise funktionieren kann.

Der Petro wird, so er denn jemals live geht, jedenfalls die erste von einem Staat erzeugte Kryptowährung sein. Bitcoin, der Urvater aller Kryptowährungen, ist ursprünglich als rein dezentrales System gedacht, ohne Staat, Zentralbanken und sonstige Mittelsmänner. Große Institutionen, denen vertraut werden muss, sollten überflüssig gemacht werden. Gut möglich, dass Venezuela mit seinem Petro nicht alleine bleibt: Russland erwägt den Kryptorubel, in Schweden und Estland gibt es ebenfalls vergleichbare Bemühungen um ein staatliches Kryptogeld. Auch die Zentralbank Chinas arbeitet Berichten nach an einer eigenen Kryptowährung. (axk)