Digitaler Werbemarkt in Aufruhr

Der Konsumgütergigant Procter & Gamble, der mehr Reklame schaltet als jedes andere Unternehmen auf der Erde, gab 2017 deutlich weniger für Internet-Werbung aus. Der Grund: Reklamebetrug und mangelnde Transparenz der Techfirmen.

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Im letzten Fiskaljahr hat The Procter & Gamble Company mit Hauptsitz im amerikanischen Cincinnati, bei den Menschen vor allem unter dem kleinen Logo P&G bekannt, sage und schreibe 7,1 Milliarden US-Dollar in Reklame investiert – und war damit der größte Werbekunde des Planeten. Die zahllosen Marken des Konsumgutriesen müssen schließlich beim Publikum bekannt gemacht werden, sei es nun etwa das Spülmittel "Fairy", das Waschmittel "Ariel", die Windelmarke "Pampers" oder der Hustenmittelhersteller "Wick".

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P&G-Reklame läuft auf allen Kanälen – im Fernsehen, im Radio, in Printprodukten und auf Werbetafeln und natürlich auch im Internet. Doch ausgerechnet letzterer Kanal, der modernste von allen, wurde im vergangenen Jahr von den P&G betreuenden Mediaagenturen signifikant weniger gebucht. Wie das "Wall Street Journal" am Donnerstag schrieb, reduzierte sich der Digitaletat um über 200 Millionen US-Dollar. Von Januar bis Juni wurden 100 Millionen gestrichen, von Juli bis Dezember gleich noch einmal so viel.

Die Liste der Online-Medien, die mit weniger Reklame für "Meister Proper", "Oil of Olaz" oder die Rasierermarke "Braun" auskommen mussten, ist laut dem Bericht lang. Besonders stark betroffen sollen jedoch "einige große digitale Mitspieler" sein, wie der Markenchef Marc Pritchard verriet. Diese mussten Etatkürzungen zwischen 20 und 50 Prozent hinnehmen – und gemeint sind vermutlich insbesondere Google und Facebook, auch wenn das Pritchard nicht verriet. Man habe einigen einen "ziemlich großen Haarschnitt" verpasst.

Wenn der größte Werbetreibende der Erde das zukunftsträchtigste Medium des Planeten mit weniger statt mehr Geld bedenkt, hört die Mediabranche ganz genau hin. Kritik an den Techfirmen hatte das P&G-Marketing schon seit längerem geäußert, bis schließlich den Worten Taten folgten. Vielleicht noch schlimmer: Bei dem Markenartikler will man durch die geringeren Online-Werbeausgaben so gut wie keine Auswirkungen aufs Geschäft gespürt haben.

Bereits im Frühjahr 2017 hatte Prichard die Onlinekonzerne aufgefordert, für mehr Transparenz zu sorgen. Genauere Audits wünschte sich das Unternehmen, also Details darüber, wie die Plattformen tatsächlich von den Nutzern verwendet werden. Zudem müssten endlich wirksame Methoden gegen Klickbetrug implementiert werden, forderte P&G. Das alles klang nach einem Ultimatum.

Die Daten scheinen laut "Wall Street Journal" mittlerweile bereitzustehen – und das Ergebnis ist nicht gut. So würden mobile Anzeigen bei Facebook, so sie denn im Newsfeed auftauchen, im Schnitt nur 1,7 Sekunden betrachtet. Hinzu komme, dass einzelne Nutzer Reklame von P&G-Marken viel zu häufig sähen, was die dann natürlich nervt.

Stark von der Reduktion betroffen soll auch Googles Videotochter YouTube sein. Dort schaltete P&G lange gar nicht mehr, weil Markenwerbung vor Terrorbotschaften erschien, was Google wohl anfangs nicht unterbinden konnte. Allerdings sieht man bei P&G eine Veränderung zum Positiven, was auch für Facebook zu gelten scheint. Auch mehr Daten soll P&G in Zukunft erhalten. Die meisten entsprechenden Forderungen sind angeblich umgesetzt oder stehen kurz davor.

Sein Gesamtwerbebudget reduziert hat P&G übrigens nicht. Die eingesparten Gelder flossen unter anderem in traditionelle Fernsehwerbung. Auch Audio- und Video-Streaming-Dienste – ein deutlich kontrollierteres Umfeld als Facebook, YouTube & Co. – interessieren den Konzern offenbar.

(bsc)