Besonderes Anwaltspostfach: EDV-Gerichtstag diskutiert beA und darüber hinaus

Der Deutsche EDV-Gerichtstag beschäftigte sich auf einer Tagung in Berlin mit der Frage, wie das "besondere Anwaltspostfach" beA weiter entwickelt und verbessert werden kann.

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EDV-Gerichtstag: beA und wie weiter?

(Bild: Joergelman)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Aktuell ist das "besondere Anwaltspostfach" geschlossen, die fehlerhafte Software in den Kanzleien deinstalliert. Wie Martin Abend von der für das beA verantwortlichen Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in Berlin erklärte, gilt eine "Übergangsfrist" von zwei Wochen für die Wiederinbetriebnahme. Bis Ende des Monats soll dann eine "Einschätzung" der beauftragten Firma Secunet vorliegen, wann das angeforderte Gutachten zur Sicherheit der Kommunikation zwischen Anwälten und Gerichten fertig wird.

Abend, der als Vizepräsident der BRAK das stark kritisierte beA-Projekt verteidigte, kündigte ferner den Fortschritt an, dass mit dem demnächst neu startenden Client nun auch Anwalts-Kapitalgesellschaften (Anwalts-GmbHs) beA nutzen können. In dieser Situation blickte der EDV-Gerichtstag auf seiner Tagung in die Zukunft und fragte sich: "Brauchen wir das beA+ mit besserer Software und optimierter Ausrichtung auf den Kanzleialltag?"

Der EDV-Gerichtstag beschäftigte sich auch mit der Frage, wie Anwälte kommunizieren können, solange beA nicht da ist. Johannes Kühn, Vorsitzender der Arbeitsgruppe IT-Standards der Bund-Länder-Kommission verwies auf den EGVP Classic Client, der entgegen der ursprünglichen Planung nicht am 1. Januar abgeschaltet wurde, sondern nun mindestens bis Mai 2018 in Betrieb sein soll. Außerdem hob er hervor, dass es im Rahmen von EGVP nunmehr keine Größenbeschränkungen für E-Mails und Anhänge mehr gebe. Hier müsste auf der Seite der Client-Software nachgebessert werden. Leslie Romeo von 1&1 stellte als Sprecher der Arbeitsgruppe De-Mail De-Mail als Alternative vor. Nach seiner Darstellung wird sie von Steuerberatern, die nicht Mitglied einer Anwaltskammer sind, zur Kommunikation mit den Gerichten genutzt. Alle Gerichte seien rechtsverbindlich erreichbar – über "Safe-ID des Gerichts"@egvp.de-mail.de .

Was beA+ sein könnte, skizzierte Sabine Ecker, Vorsitzende des Industrieverbands Elektronischer Rechtsverkehr. Sie wünschte sich ein "Kanzleipostfach" als zentralen Postkorb analog zur postalischen Adresse einer Anwaltskanzlei. Hier könnten Ende-zu-Ende-verschlüsselte Mails gemäß den internen Stellvertretungs-Regeln weitergeleitet werden, was das umstrittene "Umschlüsseln" im HSM überflüssig mache. Weiter müsste beA+ mit Terminal-Server oder mit direkter Dateiablage in einer Cloud funktionieren sowie Mobilgeräte und Tablets unterstützen.

Noch weiter ging die Wunschliste von Markus Drenger, der die Unsicherheiten im beA-Client aufgedeckt hatte. Er wünsche sich eine maschinenlesbare Justiz, in der der gesamte Workflow digital abgebildet ist und maschinenlesbare Anordnungen der Gerichte weiterverarbeitet werden können. Etwas näher an der real existierenden Anwaltskommunikation war Drengers Kritik am EGVP und den bedenkenlos zugelassenen Dateiformaten (z.B. Schriftsatz.exe), die das Durchschleusen von Spam und Virenattacken ermöglichten.

Ganz weit in der Zukunft bewegte sich Ralf Köbler, Präsident des Darmstädter Landgerichts. beA spielte da keine Rolle mehr. Sein Blick in die "Glaskugel 2020" zeigte ein Rechtssystem, in dem es überhaupt keinen "Versand" mehr gibt, nur ein Upload und Download von jederzeit in der Cloud verfügbaren Akten, aus denen dank offener Datenformate automatisch Terminanzeigen und Entscheidungsbenachrichtigungen generiert werden. In allen Gerichten gebe es verschlüsseltes WLAN, jeweils für Anwälte und das Publikum. Wenig würde dank Videokonferenztechnik mit Präsenzpflicht vor Gericht verhandelt. Die Vorträge von Klägern und Beklagten würden dann maschinenlesbar vorliegen, wobei dank einer fortgeschrittenen KI-Integration viele Detailfragen maschinell geklärt werden. Köbler wies darauf hin, dass heute schon die Tendenz zu einem hochspezialisierten "LegalTech-Markt" sichtbar sei, in dem der "Anwalt um die Ecke" keine Überlebenschancen hat. So gebe es bereits Anwälte, die sich nur um Klagen bei Flugverspätungen kümmerten. (mho)