Fehler im De-Mail-Verzeichnis bei United Internet behindert elektronischen Rechtsverkehr

Die meisten Gerichte in Deutschland sind derzeit für Nutzer von De-Mail-Zugängen bei 1&1, GMX und web.de aufgrund einer technischen Störung des Adressverzeichnisses praktisch kaum erreichbar.

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De-Mail

(Bild: dpa, Nicolas Armer)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tim Gerber
Inhaltsverzeichnis

Technische Probleme beim Anbieter United Internet führen dazu, dass Nutzer unter anderem die De-Mail-Adressen der meisten Gerichte Deutschlands nicht finden können. Seit Jahresbeginn kann jedermann, der über ein De-Mail-Konto verfügt, Behörden und Gerichten elektronische Dokumente schicken und damit die sonst in vielen Fällen zum Beispiel für das Einreichen einer Klage vorgeschriebene Schriftform ersetzen. (Was dabei zu beachten ist, erläutert dieser Artikel im Web.)

Allerdings gibt kaum ein Gericht seine De-Mail-Adresse auf seiner Webseite an. Nutzer sollen den jeweiligen Empfänger stattdessen über ein im De-Mail-Gesetz vorgesehenes öffentliches Verzeichnis finden können. Die Anbieter von De-Mail-Diensten müssen sich an diesem zentralen Verzeichnis beteiligen und den Nutzern Zugang auf die darin veröffentlichten Empfängeradressen ermöglichen.

Ein Sprecher des Unternehmens bestätigte die im Zuge einer Recherche von heise online zum elektronischen Rechtsverkehr festgestellten Einschränkungen. Sie sollen den Angaben zufolge auf einem Fehler der Kommunikation mit dem LDAP-Server beruhen. Bekannt sind die Probleme, Gerichte im De-Mail-Verzeichnis ausfindig zu machen, schon länger, wie c't berichtet hatte. United Internet will erst am Nachmittag des vergangenen Montags (7. März 2018) von den Störungen erfahren haben.

Nach Informationen von heise online sollen die Anfragen einen Timeout verursachen. Tückisch ist allerdings, dass der Nutzer keine Fehlermeldung erhält, wie dies etwa der Fall ist, wenn eine sonstige Suchanfrage zu viele Treffer generiert. Wer beispielsweise nur "Gericht" in ein entsprechendes Suchfeld eingibt, findet eine Hand voll Bundesgerichte. Dass ausgerechnet die Gerichte von dem Fehler betroffen sind, ist besonders misslich, weil die Nutzung von De-Mail für Rechtsanwälte eine Alternative zum pannengeplagten elektronischen Anwaltspostfach darstellt. Seit Jahresbeginn sind auch sie per Gesetz (z.B. § 174 Abs. 3 Satz 3 ZPO) verplichtet, einen sicheren Zugang für elektronische Dokumente zu eröffnen, kommen dieser Pflicht aber bisher kaum nach.

Die Hinweise zu der Panne an United Internet erfolgten aus dem Justizministerium eines Bundeslandes und gingen auf eine dort gestellte Anfrage von heise online zurück, wie das Ministerium bestätigte. Eine Ministeriumsmitarbeiterin habe die Adresssuche aufgrund der Anfrage mit ihrem eigenen privaten De-Mail-Account bei GMX ausprobiert, hieß es. Am 5. Januar habe sie ein bestimmtes Amtsgericht noch ohne weiteres finden können, derzeit sei ihr das nicht möglich. United Internet hat nach eigenen Angaben bereits ein Update eingespielt, welches den Fehler beheben soll. Das System sei inzwischen bereits wieder voll funktionsfähig.

Warum die Gerichte ihre De-Mail-Adressen nicht auf ihren Webseiten veröffentlichen, beantworten die zuständigen Landesministeriien unterschiedlich. Die Adressen seien wegen ihrer Länge und ihres kryptischen Formats zu verwirrend zum Beispiel für Rechtssuchende, die der deutschen Sprache kaum mächtig seien, hieß es etwa aus Stuttgart. Das NRW-Justizministerium ließ wissen, dass es zunächst eindeutige Adressen für seine Gerichte nach dem Schema ag_aachen@... besorgen wolle, die dann auch im Internet veröffentlicht werden sollen.

Der De-Mail-Verkehr selbst ist von der Störung des Adressverzeichnisses nicht betroffen. Entgegen vieler Mythen wirken sich Systemausfälle auch nicht zum rechtlichen Nachteil von De-Mail-Nutzern aus. Sie können wie ein Poststreik dazu führen, dass bei versäumten Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, man also rechtlich so dasteht, als hätte man die Frist eingehalten.

Die Suche nach einen Gericht funktioniert derzeit unter anderem bei GMX nicht. Mit dem Screenshot lässt sich das im zweifel auch beweisen, falls deswegen eine Frist versäumt wurde.

In Fällen, in denen De-Mail-Nutzer der Dienste von United Internet aufgrund des Ausfalls des öffentlichen Verzeichnisses die De-Mail eines Gerichts nicht finden konnte und deshalb gehindert waren, ein Schreiben rechtzeitig elektronisch dorthin zu senden, hat ein entsprechender Antrag gute Erfolgsaussichten, zumal der Ausfall aufgrund der Recherchen von heise online in den Justizverwaltungen aller Bundesländer hinreichend bekannt ist. (tig)