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Oscarprämierte VR-Doku "Carne y Arena" erzählt Flüchtlingsdrama

Regisseur Alejandro Gonzales Inarritu wurde dieses Jahr für seine VR-Dokumentation mit einem Oscar ausgezeichnet. Die VR-Installation entführt Besucher in eine echte Sandbox, in der sie ein Flüchtlingsdrama an der mexikanischen US-Grenze erleben.

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Oscar-premierte VR-Doku "Carne y Arena" erzählt Flüchtlingsdrama
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Der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzales Inarritu ist durch Filme wie "The Revenannt" und "Birdman" bekannt geworden. Sein neuestes Projekt ist eine VR-Installation namens "Carne y Arena" (Fleisch und Sand). Sie läuft in einem etwa 20 mal 20 Meter großen VR-Raum ab. Der Boden ist mit Sand gefüllt. Der Zuschauer betritt ihn am besten barfuß und befindet sich in einer virtuellen Gruppe lateinamerikanischer Flüchtlinge, die versuchen, über die mexikanische US-Grenze in die USA zu fliehen. Dabei werden sie von Grenzpatrouillen erwischt. Ein Hubschrauber kreist über der Gruppe, Grenzsoldaten eilen herbei und schreien die ganze Zeit Befehle. Knapp sieben Minuten dauert das VR-Schauspiel, das seit Mitte 2017 im Los Angeles County Museum of Art zu sehen ist.

Für die aufwendige VR-Inszenierung wurde Inarritu vor kurzem bei der Oscar-Verleihung mit einem Special Award ausgezeichnet. Auf der Game Developers Conference in San Francisco sprachen die Macher erstmals über die technischen Probleme, die sie speziell bei der Sound-Installation lösen mussten. Dazu arbeiteten Spezialisten aus der Film- und Spielebranche eng zusammen. In Spielen ist man gewohnt, mit Werkzeugen wie der Wwise-Engine zu arbeiten, die verschiedene Soundquellen in Echtzeit an einer beliebigen Position im Raum rendern kann. HRTF-Filter helfen dabei, dass der Zuschauer die Geräusche besser orten kann. Doch selbst wenn die Algorithmen den Sound physikalisch korrekt berechnen, hört es sich nicht richtig an, erklärten die Macher von Carne y Arena. Also mussten die Sound-Designer jeden Teil der Szene manuell nachbearbeiten.

In der VR-Szene laufen 18 virtuelle Flüchtlinge um den Zuschauer herum. Sie alle reden durcheinander: Eine Mutter sorgt sich um ihr krankes Kind, ein Hund bellt. Damit der Zuschauer alle wichtigen Handlungsstränge mitbekommt – egal wo er sich gerade in der Sandbox befindet – mischten die Entwickler einige Sprecher mit korrekten HRTF-Filtern und ließen sie bei anderen weg. Damit der Zuschauer sich auf einzelne Sprecher besser konzentrieren kann, wurde die Verräumlichung (Spatialization) nur gezielt auf einzelne Figuren angewendet. "Wenn wir die Verräumlichung der Wwise-Engine physikalisch korrekt anwendeten, konnte sich der Zuschauer auf keine der 18 Figuren konzentrieren, da sie alle durcheinander redeten", erklärte Kevin Bolen von Skywalker Sound. Ähnliche Fokussierungprobleme kennen Spieler von Open-World-Spielen wie "Assassin's Creed Origins". Figuren reden dort manchmal ebenfalls mit einer falsch empfundenen Lautstärke, obwohl die eigentlichen Abstands- und Richtungs-Informationen in der Sound-Engine korrekt berechnet wurden.

Neben einem Oscar gewann Carne y Arena auch einen Golden Reel Award für seinen außergewöhnlichen Sound.

(Bild: heise)

Um das Drama in VR richtig in Szene zu setzen, filmte Inarritu die Handlung kurzerhand in einer realen Wüstenumgebung. So hatten die Techniker eine Vorlage, um die virtuellen Figuren per Motion Capturing in VR richtig zu vertonen.

Um die Dramatik des Hubschrauber-Überflugs zu verstärken, installierten die Techniker zudem starke Subwoofer, die tieffrequente Vibrationen erzeugen, die die Zuschauer in ihren Füßen und im Unterleib spüren, wenn sie mit einem Kopfhörer durch die virtuelle Sandbox stapfen. Die Geräusche des Hubschraubers wurden ebenfalls aus verschiedenen Layern zusammengesetzt. Einige Elemente wurden durch HRTF-Filter gejagt, andere nicht, da sie durch die HRTFs an Durchschlagskraft verloren.

Wer "Carne y Arena" noch erleben will, muss sich allerdings gedulden. In Los Angeles sind sämtliche noch verbleibenden Vorstellungen bis Ende April ausgebucht. Ob und wann die Installation noch einmal nach Europa kommt, steht derzeit nicht fest. (hag)