Analyse: Konstant ist bei IBM nur der Wandel

IBM hat sich immer wieder neu erfunden. In viele Business-Felder ist man schnell eingestiegen – und noch schneller wieder ausgestiegen. Die Think 2018 zeigt: Diese Rotationsgeschwindigkeit nimmt weiter zu.

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Analyse: Konstant ist bei IBM nur der Wandel
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"Wir haben IBM für das Datenzeitalter neu erfunden", rief IBMs CEO Ginni Rometty in ihrer Keynote zur diesjährigen Think den 34.000 Teilnehmern zu. Womit sie recht hat, doch man sollte das nicht zu hoch bewerten, schließlich erfindet sich Big Blue recht häufig neu.

Manchmal hatte sich für den Konzern ein Trend schon wieder erledigt, bevor ihn alle Mitarbeitern umsetzen konnten oder er sich als tragbares Zukunftsmodell erweisen konnte. Die PC- und Serveraktivitäten sind lediglich die bekanntesten Rückzieher der vergangenen Jahre. Jetzt erlebt man den rasanten Neuerfindungsprozess beim KI-System Watson, denn seit IBM damit ein TV-Quiz gewonnen hat, baut Rometty dieses System zum Kernelement ihrer neuen Strategie aus.

Zumindest nach außen hin erscheint dieser Weg bislang konsequent. Auf der Think präsentierte man einen ganzen Strauß neuer Watson-Applikationen, die alles von der Forschung über Plankton in der Tiefsee bis hinauf zur Unterstützung der ISS-Astronauten adressieren. Doch bei den vielen Anwendungen übersieht man schnell das, was der Konzern nach kurzer Zeit schon wieder verworfen hat. So fokussierte man sich nach dem TV- und PR-Erfolg auf Anwendungen in der Medizin. Davon ist so gut wie nichts übrig geblieben.

Ein weiteres großes Standbein sollte Watson bei Banken und Versicherungen einnehmen. Doch von dort gibt es widersprüchliche Meldungen darüber, ob und inwieweit die Institutionen Watson sinnvoll nutzen können. Die Hauptkritikpunkte sind, dass das System zu teuer und zu kompliziert ist – und nicht die Ergebnisse liefert, die man sich erhofft. Auch bei Gartner sieht man Watsons Fähigkeiten beim Machine Learning skeptisch: Im zugehörigen magischen Quadrat liegen KNIME und H20.ai an der Spitze. IBM verbleibt hingegen zusammen mit Microsoft, Domino und Databricks im Mittelfeld.

Dabei hat sich hinter den Watson-APIs viel getan. "Von der ursprünglichen Technologie, die beim Quiz zum Einsatz kam, ist nicht mehr viel übriggeblieben", sagte Ruchir Puri, IBM Fellow und Chefarchitekt des Watson-Systems. Was es heute noch nutzt, sind vor allem die Parsing-Komponenten der Spracherkennung. "Die heutigen Analyse-Tools wurden alle erst vor kurzem entwickelt", so Puri weiter.

Watson gibt es derzeit nur aus der Cloud, folglich muss IBM auch seine zugehörigen Angebote kräftig ausbauen. Dabei hofft der Konzern vor allem, aus den guten Business-Kontakten Kapital schlagen zu können. "Zu Mainframe-Zeiten hieß es, man wird als CIO nicht gefeuert, weil man sich für IBM entscheiden hat. Dieser Satz stimmt merkwürdigerweise immer noch, obwohl ihn die jüngeren IT-Experten vermutlich nie gehört haben", meinte Jeff Byrne, Analyst bei der Taneja-Gruppe.

Ob dieser Business-orientierte Ansatz letztlich erfolgreich ist, muss sich erst noch zeigen. Amazon, Google und Salesforce verdanken ihre Cloud-Erfolge den genau gegenteiligen Gründen – sie haben die traditionellen IT-Strukturen unterlaufen. Nur Microsoft hat seinen Azure-Erfolg über ähnliche Business-Verbindungen aufgebaut. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass IBM im direkten Konkurrenzkampf mit Microsoft den Kürzeren zieht. Folglich sind auch die Analysten noch skeptisch. "IBMs Cloud-Geschäft wächst nicht so schnell wie das von Amazon, Google oder Microsoft. Sie haben hier nur eine Chance im oberen Business-Segment", schätzt beispielsweise IDC-Analyst Deepak Mohan. (fo)