Google löscht Pornos aus dem Drive-Speicher

Google hat offenbar zahlreiche "sexuell eindeutige" Inhalte aus Google Drive gelöscht oder gesperrt. Leidtragende dieser Aufräumaktion sind vor allem SexarbeiterInnen, die dort ihre Bilder und Videos abgelegt hatten. Google verweist auf seine Richtlinien.

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Google löscht Pornos aus dem Drive-Speicher
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Die Pornodarstellerin Avey Moon wollte dem Gewinner eines "Chaturbate Contest" ein Sexvideo senden. Gespeichert war der Clip bei Google Drive. Doch beim Aufruf der Datei poppte nur eine Fehlermeldung auf: "This item may violate our Terms of Service", diese Datei verstößt eventuell gegen die Richtlinien. Moon machte sich Sorgen, erzählte sie dem US-Onlinemagazin Motherboard. Der Gewinner hätte sich schließlich bei der Camsex-Seite Chaturbate beschweren können, weil er sein "Blowjob POV" nicht bekommen hat.

Moon ist nicht die einzige Sexarbeiterin, deren explizite Bilder und Videos von Google Drive verschwunden sind: Das Onlinemagazin Motherboard fand sechs weitere Betroffene. Es sei ihnen nicht mehr möglich gewesen, bestimmte Dateien zu öffnen, zu teilen oder zu versenden. In einigen Fällen seien die Dateien ohne Warnung und ohne Erklärung einfach verschwunden. Die Sexarbeiterinnen haben den Eindruck, dass Google Drive plötzlich nicht mehr "sex-trade friendly" sei.

Auf Nachfrage verwies ein Sprecher von Google Drive auf die "Programmrichtlinien zum Missbrauch von Google-Produkten". Darin ist zu lesen: "Veröffentlichen Sie keine sexuell eindeutigen oder pornografischen Bilder oder Videos." Die Drive-Nutzer dürfen immerhin über "Erwachsenenthemen" schreiben, müssen dabei aber auf eine "sexuell eindeutige" Bebilderung verzichten. Verboten sind außerdem "Inhalte, die auf kommerzielle Pornografiewebsites hinweisen". Erlaubt sind aber "naturalistische und dokumentarische Darstellungen von Nacktheit", also Kunstwerke oder "ein Bild eines Säuglings an der Brust seiner Mutter", erklärt Google.

Zur Kontrolle verwendet Google nach eigenen Anhaben eine Kombination aus automatisierten Systemen und manuellen Überprüfungen. Bislang wurden die Pornodarstellerinnen offenbar nicht behelligt, berichtet Melody Kush. Sie nutzt Google Drive seit insgesamt fünfeinhalb Jahren für ihre Arbeiten – bislang ohne Probleme. Als sie ein Video versenden wollte, bekam sie nun aber eine Fehlermeldung. Der Versand hatte zuvor bereits problemlos geklappt. Nicht immer sind die Videos explizit benannt, manche hätten völlig unverfängliche Titel gehabt, seien aber dennoch gesperrt worden, berichtet Motherboard weiter. In einigen Fällen zeigt Drive die Videos zwar an, spielt sie aber nicht ab; stattdessen erscheint ein "Whoops! There was a problem playing this video."

Einige Sexarbeiterinnen vermuten, dass hinter Googles Aufräumaktion das kontroverse Gesetzespaket SESTA/FOSTA steckt, das am 21. März vom US-Senat verabschiedet worden war. Es soll eigentlich Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung erschweren. Doch die Electronic Frontier Foundation (EFF) sieht darin eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Internet. Das Problem: Onlineplattformen können für illegale Inhalte haftbar gemacht werden, selbst wenn sie von ihnen nichts wussten.

Bislang gab es mit "Section 230" Ausnahmen bei der Haftbarkeit. "Ohne Section 230 würde das Internet heute völlig anders aussehen", schreibt die EFF. Das neue Gesetz unterwandere diese "Section" und sei viel zu schwammig formuliert. Als Konsequenz löschten die Online-Dienste problematische Inhalte nun lieber, als eine kostspielige Klage zu riskieren, kritisiert die EFF. Die bekannte Anzeigen-Website Craigslist hat als Reaktion bereits ihre Kontaktanzeigen offline genommen. Als Erklärung schrieben die Betreiber: "Wir können das Risiko nicht eingehen, ohne unsere anderen Dienste zu gefährden. Deshalb nehmen wir bedauerlicherweise die Kontaktanzeigen offline." Die EFF will weiter gegen SESTA/FOSTA und für ein freies Internet kämpfen. (dbe)