Grüne legen Verfassungsbeschwerde gegen bayerisches "Gefährdergesetz" ein

Die eine Verfassungsklage ist gerade fertig, da liegt schon die nächste "Ausbaustufe" des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes vor. "Wir kriegen langsam sehr viel Übung", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag.

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Grüne legen Verfassungsbeschwerde gegen bayerisches "Gefährdergesetz" ein

(Bild: dpa)

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Von
  • Monika Ermert

Die Grünen im Bayerischen Landtag haben beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das "Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen" ("Gefährdergesetz") eine Verfassungsklage eingereicht. Sie stört vor allem, dass die Eingriffsschwelle für polizeiliche Aktionen auf eine "drohende Gefahr" gesenkt werden soll.

Die "drohende Gefahr" als Kriterium polizeilichen Handelns ist juristisches Neuland, erklärte Dr. Ino Augsberg, Jurist von der Universität Kiel. Die Polizei kann laut dem seit August 2017 geltenden Gesetz viel weiter vor befürchteten Gefährdungslagen handeln. Ab wann beispielsweise von einem potenziellen Sexualstraftäter Gefahr droht und er mit einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung überzogen werden kann, bleibt der polizeilichen Beurteilung überlassen. Es sei zwar zu hoffen, dass die Polizei die Möglichkeiten nicht voll ausschöpft. An der fehlenden Bestimmtheit und der Unverhältnismäßigkeit ändere das jedoch nichts. "So weit darf der Gesetzgeber die Auslegung seiner Gesetze nicht delegieren", sagt von Augsberg.

Aus Sicht der Grünen zeigt nicht zuletzt die gerade nachgelegte zweite Novellierungsrunde des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), dass die CSU stramm in Richtung Präventiv- und Überwachungsstaat marschiere. Die Eingriffsbefugnisse bei "drohender Gefahr" würden nämlich noch einmal deutlich erweitert. Statt mit einer aufwändigeren Fußfessel dürfte heimlich die Telekommunikation des als Gefährder Eingestuften künftig überwacht werden.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Grünen, kritisierte nicht zuletzt die "Vernachrichtendienstlichung" der Polizei durch die Präventivbefugnisse. Sie befürchte auch, dass Bayern als Experimentierfeld dienen und der frischgebackene Bundesinnenminister Horst Seehofer die "drohende Gefahr" gleich ins "Musterpolizeigesetz" des Bundes kopieren könne. Sollte die zweite PAG-Novelle nicht mehr verändert werden, "dann werden wir uns eben nochmal vor dem Bayerischen Verfassungsgericht treffen", kündigte sie an. Seehofers Musterpolizeigesetz in ähnlicher Form wäre ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht, meint Augsberg.

Abgesehen von der Organklage der Grünen liegen weitere Popularklagen gegen das "Gefährdergesetz" vor, unter anderem eine der Bayerischen Jusos. Sowohl beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof als auch in Karlsruhe sind darüber hinaus Klagen gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz von verschiedenen Parteien anhängig. (anw)