Mal ganz was Neues!

Ein portugiesischer Hirnforscher schlägt vor, dass wir künstliche Intelligenzen programmieren, die depressiv werden können.

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Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern - und mein Smartphone macht leise: ping. Die App WeCroak hat ein neues Zitat für mich. Es mag angesichts dieses idyllischen Frühlingstages ein wenig morbide klingen - aber diese Zitate von berühmten Persönlichkeiten befassen sich mit der Endlichkeit des Lebens, Tod und Sterben. Eine sehr britische Idee. Tatsächlich habe ich zuerst in einem Podcast des Guardian mit dem schönen Titel Chips with everything davon erfahren. Aber die Idee ist tatsächlich gar nicht so abwegig: Wer immer mal wieder über den Tod nachdenkt, weiß das Leben mehr zu schätzen. Dachten zumindest die japanischen Samurai.

Apropos morbide: Der portugiesische Neurowissenschaftler Zachary Mainen ist der Meinung, dass wir schon bald nicht mehr nur mit depressiven Menschen, sondern auch mit depressiven Maschinen zu tun haben werden. Kein Scherz. Wir sprechen jetzt auch nicht von Marvin, dem depressiven Roboter aus "Per Anhalter durch die Galaxis". In einem Interview mit dem Wissenschaftsmagazin Science erläutert Mainen seine Theorie, die sich zentral um den Neurotransmitter Serotonin dreht.

Serotonin ist ein Botenstoff, der oftmals in Zusammenhang mit positiven Emotionen ausgeschüttet wird - zum Beispiel beim Genuss von Schokolade. Umgekehrt glauben Hirnforscher bereits seit den 1960er Jahren aber auch, dass ein Mangel an Serotonin depressiv macht. Der genaue Wirkmechanismus ist noch immer nicht bekannt, aber die gängigen Medikamente gegen Depression setzen deshalb genau dort an, und erhöhen den Serotonin-Spiegel im Gehirn. Weil das bei rund 20 Prozent der Betroffenen nicht funktioniert, suchen Forscher jedoch dringend nach Alternativen.

Mainen vermutet nun, dass Serotonin im Gehirn dazu dient, bestehende Verbindungen leichter zu lösen. Seine These ist, dass der Botenstoff ausgeschüttet wird, wenn bislang gelernten Gewissheiten nicht mehr funktionieren. Bei depressiven Patienten, die oft das Gefühl haben, in einer ausweglosen Situation zu stecken, sei dieser Mechanismus offenbar gestört.

Was hat das nun mit Computern zu tun? Laut Mainen ist die Funktion des Botenstoffes Serotonin ganz ähnlich wie die Lernrate in neuronalen Netzen. Seine Idee: Gelänge es durch eine Art künstliches Serotonin diese Lernrate anzupassen, und zum Beispiel in neuen, abweichenden Situationen zu erhöhen, wären neuronale Netze sehr viel flexibler als bisher. Denn noch muss man solche Netze ja mit Tausenden von Beispielen trainieren - um genau eine Fähigkeit zu erlernen. Trifft das Netz auf ein anderes, neues Problem, muss man es erst neu anlernen.

Die Idee ist bestechend – abgesehen von zwei winzigen Details. Denn zum einen weiß heute noch niemand, wie das gehen könnte. Zum anderen läuft man dabei Gefahr, dass dieser Mechanismus bei Maschinen genauso aus dem Ruder läuft wie bei Menschen. Womit wir wieder bei den depressiven Maschinen wären. Irgendwie niederschmetternd: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Vielleicht gehe ich jetzt einfach mal ein bisschen raus ins Grüne und höre den Vögeln beim Zwitschern zu.

(wst)