Weiter fahren mit Silizium

Die meisten Neuentwicklungen im Batterie-Bereich bringen nur marginale Verbesserung, doch ein Start-up will jetzt einen großen Sprung geschafft haben. Zu seinen Partnern zählt BMW.

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Von
  • James Temple
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Ein Start-up aus Alameda im US-Bundesstaat Kalifornien arbeitet seit sieben Jahren in aller Stille an einem neuartigen Anoden-Material, das die Leistung von Lithium-Ionen-Battterien signifikant verbessern soll.

Erst in diesem März hat Sila Nanotechnologies den „Stealth“-Modus verlassen und eine Partnerschaft mit BMW abgeschlossen, in deren Rahmen die Anoden-Materialien des Unternehmens bis 2023 zumindest in einem der Teil der Elektroautos des deutschen Herstellers verwendet werden sollen. Wie ein BMW-Sprecher dem Wall Street Journal sagte, geht das Unternehmen davon aus, dass sich damit die Menge an Energie, die in eine Batteriezelle passt, um 10 bis 15 Prozent steigern lässt. Laut dem Sila-CEO Gene Berdichevsky könnten die Materialien sogar Verbesserungen um bis zu 40 Prozent bringen.

Bei Elektroautos bedeutet eine Steigerung der Energiedichte entweder eine deutlich höhere Reichweite bis zum nächsten Aufladen oder niedrigere Kosten für Batterien mit normaler Reichweite. Bei Konsumelektronik könnte sie Mobiltelefone ermöglichen, die wirklich einen ganzen Tag lang genutzt werden können, oder stromhungrige Funktionen der nächsten Generation wie größere Kameras oder ultraschnellen 5G-Funk unterstützen.

Forscher arbeiten seit Jahrzehnten an der Verbesserung von Lithium-Ionen-Akkus, doch erreicht wurden bislang jeweils nur Fortschritte im Bereich weniger Prozentpunkte. Wie also schafft Sila Nanotechnologies einen derart großen Sprung?

Neben Berdichevsky, der Angestellter Nummer 7 bei Tesla war, arbeitet bei dem Start-up als CTO Gleb Yushin, ein Professor für Materialwissenschaft am Georgia Institute of Technology. Vor kurzem haben sich die beiden etwas Zeit genommen, um ihre Batterie-Technologie für die US-Ausgabe von Technology Review genauer zu erklären.

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Eine Anode ist die negative Elektrode von Batterien und speichert beim Aufladen Lithium-Ionen. Ingenieure sind seit langem der Meinung, dass Silizium aus einem einfachen Grund großes Potenzial dafür hat: Es kann 25-mal so viele Lithium-Ionen binden wie Graphit, das derzeit am häufigsten als Material für Lithium-Ionen verwendet wird.

Allerdings gibt es einen großen Haken dabei: Wenn Silizium derart viele Lithium-Ionen aufnimmt, erhöht sich sein Volumen, was das Material auf eine Weise belastet, die tendenziell dazu führt, dass es beim Aufladen zerbröselt. Außerdem löst das Anschwellen elektrochemische Nebenreaktionen aus, die sich negativ auf die Batterieleistung auswirken.

Im Jahr 2010 aber gehörte Yushin zu den Autoren eines wissenschaftlichen Aufsatzes, in dem eine Methode für die Produktion von starren Nanopartikeln auf Silizium-Basis vorgestellt wurde, die porös genug sind, um erhebliche Volumen-Veränderungen intern aufzunehmen. Im Jahr darauf schloss er sich für die Gründung von Sila mit Berdichevsky und Alex Jacobs zusammen, einem weiteren früheren Batterie-Ingenieur bei Tesla.

Seitdem arbeitet das Unternehmen an der Kommerzialisierung seines grundlegenden Konzepts und hat Zehntausende von unterschiedlichen Varianten mit immer raffinierteren Anoden-Nanopartikeln entwickelt, produziert und getestet. Es hat Möglichkeiten gefunden, die interne Struktur so zu verändern, dass kein Batterie-Elektrolyt in die Partikel gerät, und tausende von kleinen Verbesserungen gefunden, die zusammen eine um rund 20 Prozent höhere Energiedichte als bei den besten vorhandenen Technologien ermöglichen.

Letztlich hat Sila robuste, kugelförmige Partikel mit porösem Kern geschaffen, bei denen sich ein Großteil des Anschwellens intern abspielt. Die Außenseite des Partikels verändert beim Aufladen weder Form noch Größe, was eine ansonsten normale Leistung und Lebensdauer sicherstellt. Das Ergebnis ist ein Kompositpulver für die Anode, das bestehende Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen ohne weitere Umbauten in ihrer Produktion einsetzen können.

Elektroautos für den Massenmarkt (14 Bilder)

Der e6, eines der Elektroautos vom chinesischen Hersteller BYD, ist auch auf dem deutschen Markt erhältlich, für knapp 50.000 Euro. Mit seiner Batteriekapazität von 80 Kilowattstunden liegt die Reichweite bei 400 Kilometern.
(Bild: BYD)

Wie bei jeder neuen Batterie-Technologie dauert es mindestens fünf Jahre, sich durch die Qualitäts- und Sicherheitsprozesse zu arbeiten, die in der Autobranche vorgesehen sind – von daher kommt auch die Zeitplanung bis 2023 mit BMW. Bei Konsumelektronik will Sila schneller vorankommen. Hier sollen schon Anfang nächsten Jahres Produkte auf dem Markt sein, in denen seine Batterie-Materialien enthalten sind.

Laut Venkat Viswanathan, einem Maschinenbauer an der Carnegie Mellon University, macht Sila „hervorragende Fortschritte“. Allerdings warnt er, dass Verbesserungen bei einer Batterie-Kennzahl oft auf Kosten von anderen gehen, etwa von Sicherheit, Ladedauer oder Lebenszyklus. Außerdem müsse das, was im Labor funktioniert, nicht unbedingt zu perfekten Endprodukten führen.

Unternehmen wie Enovix und Enevate entwickeln ebenfalls Anoden-Materialien, die vor allem aus Silizium bestehen. Andere Anbieter verfolgen vollkommen andere Wege zu höherer Speicherfähigkeit, zu denen insbesondere auch Feststoff-Batterien zählen. Zum Einsatz kommen Materialien wie Glas, Keramik oder Polymere als Ersatz für flüssige Elektrolyte, die den Transport von Lithium-Ionen zwischen Kathode und Anode erleichtern.

So hat BMW eine weitere Partnerschaft mit Solid Power. Das Spin-Off der University of Colorado in Boulder verfügt nach eigenen Angaben über eine Feststoff-Technologie mit Lithium-Metall-Anoden, die zwei- bis dreimal so viel Strom speichern kann wie traditionelle Lithium-Ionen-Akkus. Und Ionic Materials, das vor kurzem 65 Millionen Dollar Kapital von Dyson und anderen Investoren eigesammelt hat, hat einen Elektrolyten aus einem festen Polymer entwickelt, der nach seinen Angaben sicherere und billigere Batterien ermöglicht und auch mit Lithium-Metall funktioniert.

Manche Batterie-Experten sind der Meinung, dass Feststoff-Technologien letztlich eine größere Steigerung der Energiedichte ermöglichen, wenn sich die verbleibenden technischen Hindernissen beseitigen lassen.

Berdichevsky dagegen betont, dass die Materialien von Sila bereits jetzt für Produkte verfügbar sind. Anders als feste Lithium-Metall-Batterien bräuchten sie zudem keine teuren Anlagen-Modernisierung auf Seiten der Produzenten.

Derzeit arbeitet das Unternehmen weiter daran, die Volumen-Veränderungen bei seinen Partikeln auf Silizium-Basis zu begrenzen. Berdichevsky und Yushin glauben, auf diese Weise die Energiedichte noch weiter steigern und gleichzeitig Ladezeiten und Lebensdauer verbessern zu können.

(sma)