Welche Jobs bleiben werden

Eine neue Studie der OECD sieht im Durchschnitt ein relativ geringes Risiko dafür, dass Maschinen menschliche Arbeitskräfte ersetzen. Allerdings sind manche Gruppen und Länder besonders gefährdet, darunter auch Deutschland.

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Von
  • Sascha Mattke
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Das Ende der Arbeit – von dem US-Ökonomen Jeremy Rifkin bereits 1995 in Form eines Buches ausgerufen – lässt auf sich warten. Für Deutschland kam das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in diesem Jahr sogar zu dem Schluss, Automatisierung habe zwar einige Jobs gekostet, doch Zuwächse bei Effizienz und Kaufkraft hätten das in anderen Branchen mehr als kompensiert.

Dies entspräche dem seit Jahrhunderten üblichen Muster bei technischen Fortschritten: Neue Technologien kosten alte Arbeitsplätze, befördern aber auch die Entstehung von neuen, und insgesamt gesehen profitieren Gesellschaften davon. Allerdings hat der Siegeszug von künstlicher Intelligenz inzwischen die Sorge geweckt, Maschinen könnten so breite Ausschnitte menschlicher Fähigkeiten abbilden oder übertreffen, dass kaum noch Arbeit für uns übrigbleibt. Für nachhaltiges Aufsehen sorgte 2013 eine Studie von Carl Frey und Michael Osborne von der Oxford University, laut der in den USA 47 Prozent aller Berufe hochgradig von Automatisierung gefährdet seien.

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Sind moderne Maschinen also ein Weg zu mehr Wohlstand oder bloße Arbeitsplatzvernichter? Aktuell haben sich Ökonomen der OECD detailliert mit dieser Frage beschäftigt – und kommen zu einem relativ beruhigenden Ergebnis: Nur bei 14 Prozent der Berufe in den 32 untersuchten Mitgliedsstaaten sei eine Automatisierung sehr wahrscheinlich. Allerdings könnte schon das bedeuten, dass 66 Millionen Menschen ihren Job verlieren, und als besonders gefährdet sehen die Forscher zwei Gruppen an, die es am Arbeitsmarkt ohnehin schon nicht leicht haben – junge Personen und gering qualifizierte Personen.

Die Grundlage für diese Prognosen ist eine detaillierte Beschäftigung mit unterschiedlichen Berufen. Die OECD-Forscher berücksichtigen nicht nur die Haupttätigkeit auf der Ebene von großen zusammengefassten Berufsgruppen, sondern feiner aufgeschlüsselte Berufsgattungen sowie die Unterschiede darin – so gebe es für einen Mechaniker in einer kleinen Autowerkstatt ein ganz anderes Automatisierungsrisiko als für einen Angehörigen desselben Berufs, der in einer Autofabrik am Fließband steht.

Im nächsten Schritt prüften die Forscher, wie gut sich die einzelnen Aufgaben in den verschiedenen Berufen automatisieren lassen. Dazu verwendeten sie von Frey und Osborne in einer späteren Studie entwickelte Kriterien, laut denen Tätigkeiten dann schlecht von Maschinen zu erledigen sind, wenn sie Wahrnehmung und Handgriffe in unstrukturierten und komplexen Umfeldern, kreative Intelligenz oder soziale Intelligenz erfordern – alles drei wird als „technischer Engpass“ angesehen, der eine Automatisierung erschwert oder verzögert.

Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren berechnen die Autoren der OECD-Studie, dass die Gefahr für eine Automatisierung mit 64 Prozent am höchsten ist für Küchenhelfer und mit 28 Prozent am niedrigsten für Lehrpersonal. In der zusammengefassten Branchen-Betrachtung sehen sie Landwirtschaft und Jagd als am ehesten automatisierbar (57 Prozent Wahrscheinlichkeit), den Bildungsbereich als am wenigsten (33 Prozent). In der Mitte liegen Berufe wie Vertriebsmitarbeiter, Kunden-Betreuer oder Büro-Assistenzen und Branchen wie Kfz-Herstellung, Öl- und Gas-Förderung sowie Architektur.

Gleichzeitig ergeben sich Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern, die nicht nur mit deren Branchen-Strukturen zu tun haben, sondern auch mit den erwähnten unterschiedlichen Tätigkeiten. Im Durchschnitt am wenigsten gefährdet sind demnach Beschäftigte in Norwegen, Neuseeland und Finnland, am stärksten in der Slowakei, Litauen und der Türkei. Auch Deutschland zählt demnach zu den Ländern mit erhöhtem Automatisierungsrisiko. Als Grund dafür nennen die Forscher die Tatsache, dass für Jobs in der industriestarken Bundesrepublik im Durchschnitt relativ wenig soziale Intelligenz gebraucht wird.

Die Studie der OECD reiht sich ein in eine immer längere Liste von Arbeiten, die versuchen, die zukünftigen Auswirkungen von künstlicher Intelligenz zu quantifizieren, und mit unterschiedlichen Daten und Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Wie die Forscher selbst betonen, sind dabei Abweichungen nach oben ebenso möglich wie nach unten. So sei auf der einen Seite nicht sicher, dass alles technisch Mögliche auch umgesetzt wird – im Pflegebereich etwa könnten Gesellschaften beschließen, Roboter weniger intensiv zu nutzen, als es die Technologie erlauben würde. Auf der anderen Seite sei nicht garantiert, dass die erwähnten technischen Engpässe dauerhaft bestehen bleiben.

Ein qualitatives Ergebnis der Studie liefert jedenfalls Stoff zum Nachdenken: Laut den Autoren werden viele der als gut automatisierbar identifizierten Berufe von jungen oder gering qualifizierten Beschäftigten ausgeübt. Während junge Menschen am Beginn ihres Berufsleben immerhin noch die Möglichkeiten hätten, mit Praktika Erfahrungen zu sammeln, sehe es für die Geringqualifizierten besonders schlecht aus: Ihre Jobs seien nicht nur stärker gefährdet als in früheren Automatisierungswellen, sie bekommen derzeit – in allen untersuchten Ländern – auch deutlich unterdurchschnittlich oft Gelegenheit, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

(sma)