"Ist das Mikroplastik im Boden, wird es schwierig"

Ruth Freitag, Professorin für Bioprozesstechnik an der Universität Bayreuth, spricht im TR-Interview über mit Kunststoffmüll belasteten Dünger – und was man dagegen tun kann.

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Forscher der Universität Bayreuth haben kurzem eine vielbeachtete Studie veröffentlicht, in der sie zeigten, dass selbst im Biodünger Mikroplastik nachgewiesen werden kann – und dieser dann auf dem Acker landet.

Ruth Freitag, Professorin für Bioprozesstechnik und eine der Autoren der Studie, spricht im Technology-Review-Interview über das Problem – und welche Konsequenzen dies haben sollte.

Technology Review: Frau Freitag, das Thema Mikroplastik in der Umwelt ist mittlerweile im Mainstream angekommen und beschäftigt nicht mehr nur Fachleute in der Wissenschaft, sondern auch Medien und Politik. Geschieht dies ihrer Meinung nach noch rechtzeitig genug, dass adäquat eingegriffen werden kann?

Ruth Freitag.

(Bild: Universität Bayreuth)

Ruth Freitag: Mikroplastik ist inzwischen in den entlegensten Gebieten der Welt angekommen und wird uns noch viele Jahre begleiten. Das wissen wir. Dennoch ist es nie zu spät die weitere Belastung der Umwelt durch diese Partikel zukünftig zu verringern. Man sollte nicht sagen, das Kind sei nun in den Brunnen gefallen und man könne ohnehin nichts mehr tun.

Hat Sie der hohe Mikroplastik-Anteil im Biomüll und Dünger, den Sie und Ihre Kollegen nachweisen konnten, überrascht?

Nein, und noch einmal, so hoch war diese Belastung in vielen Fälle nicht. Was uns überrascht hat, ist wie unterschiedlich die Höhe der Belastung war, je nachdem, wie der Dünger hergestellt wurde. Diejenigen Anlagen, die vor allem gütegesichtern Kompost herstellen wollten, waren deutlich weniger belastet, als viele Anlagen die einfach nur den Biomüll verarbeiten wollten.

Ihre Studie zeigt, dass auch an sich gute Ideen – also das Recycling von Abfällen – negative Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Wurde hier bei den Entsorgern einfach nicht ausreichend nachgedacht? Dass viel Plastik im von den Menschen und Betrieben angelieferten Biomüll stecken kann, sollte ihnen doch eigentlich aufgefallen sein.

Das ist richtig, hier wurden – auch vom Gesetzgeber – die Konsequenzen vielleicht nicht bedacht. So werden gerade Mikroplastikpartikel mit eine Größe von weniger als 2 mm bei der Qualitätskontrolle von Kompost bislang gar nicht beachtet. Das sind aber gerade die Partikel, die wir uns angeschaut haben.

Was können Bürger, die umweltfreundlich agieren wollen, tun? Und was die Entsorger?

Das Plastik entsteht nicht in der Anlage, sondern gelangt mit dem Biomüll dorthin. Also jede Plastiktüte, die nicht in den Biomüll geworfen wird, hilft das Problem zu verringern. Entsorgern, die sich bemühen, möglichst keine Plastikmaterialien in die Anlage gelangen zu lassen, die diese z.B. vorher – oft sogar händisch ! – entfernen, erzeugen einen deutlich weniger belasteten Dünger. Problematisch sind Einbringtechniken, die die Plastiktüten mit dem restlichen Biomüll sogar noch gezielt zerkleinern.

Aktuell gibt es noch wenig Wissen darüber, was Mikroplastik im Körper anrichten kann. Klar ist, dass es sich in der Umwelt anreichert, wir es mit unserem Wasser (mit)trinken und wohl auch mitessen – etwa in belastetem Fisch. Wie viel Nachholbedarf gibt es hier in der Forschung noch und warum scheinen wir in den letzten Jahren nur schleppend voranzukommen?

Die Forschung hierzu ist sehr komplex, es fehlt derzeit selbst an einer zuverlässigen Analytik für die Mikroplastikpartikel. Hier betritt die Universität Bayreuth Neuland, indem sie das Problem von sehr vielen Seiten (Umwelt, Chemie, Biologie, Ingenieurwissenschaften) angeht. Wir hoffen in den kommenden Jahren auf einige dieser Frage fundierte Antworten geben zu können.

Gibt es im Mikroplastik-Bereich auch ein Lobbyproblem? Wie sehr wehrt sich die Industrie gegen Veränderung?

Mehr Infos

Die Abfallentsorgung ist ein Wirtschaftszweig, da lässt sich Lobbyismus nicht immer vermeiden. Fakt ist aber auch, dass es vielen Bürgern egal ist, was mit ihrem Müll passiert, solange er nur billig entsorgt wird. Hier stehen Kommunen, die verantwortungsvolle Strategien entwickeln wollen, oft in der Kritik für ihre teure Entsorgungsgebühren.

In Deutschland und anderen EU-Ländern scheint sich aber dennoch einiges zu tun. Wer etwa in Berlin bei Lidl & Co. einkauft, bekommt im Supermarkt keine dünne Plastiktüte mehr – sondern entweder etwas Haltbareres oder eine Papiertüte. Zu spät und zu wenig?

In jedem Fall ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Mikroplastik ist ja kein neues Problem – Erdölprodukte begleiten uns nun schon seit Jahrzehnten. Handelt es sich hierbei um ein großes Menschenexperiment?

Sicherlich, wie fast jeder technische Fortschritt. Eine völlig plastikfreie Welt würde den meisten Menschen aber sicherlich auch nicht gefallen. Die Materialien sind halt so praktisch.

Sehen Sie Chancen, dass es in absehbarer Zeit Methoden geben wird, Mikroplastik (und bislang unabbaubaren Kunststoff an sich) unschädlich zu machen, etwa mit neuartigen Bakterien oder chemischen Prozessen? Was bleibt uns bis dann – bessere Filter?

Hier sehe ich in der Tat große Chancen. Erste natürlich Plastik-abbauende Bakterien wurden bereits beschrieben, in den Materialwissenschaften gibt es Überlegungen zur Synthese von wirklich vollständig biologisch abbaubaren Materialien. Hier sollte man weitermachen. Filter helfen vielleicht beim Wasser, ist das Mikroplastik erst einmal im Boden, wird es schwierig.

(bsc)