Biohacking bis zum Tod

Mit der Eigeninjektion einer Herpes-Therapie hatte er für Aufsehen gesorgt, jetzt wurde Aaron Traywick tot gefunden. Offenbar wollte er eine Studie mit einer Gen-Therapie gegen Lungenkrebs beginnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Emily Mullin
Inhaltsverzeichnis

Der umstrittene Biohacker Aaron Traywick, der Ende April tot in einem Entspannungsbecken in Washington D.C. gefunden wurde, hat nach Informationen der US-Ausgabe von Technology Review eine Studie mit einer CRISPR-Therapie gegen Lungenkrebs an Menschen vorbereitet.

Traywick, 28 Jahre alt, machte in diesem Februar Schlagzeilen, als er sich bei einer Konferenz für Eigenexperimente vor Publikum eine selbst hergestellte Herpes-Therapie injizierte. Er war CEO von Ascendance Biomedical, einem mysteriösen Unternehmen mit dem Ziel, genetische Behandlungen für jedermann verfügbar zu machen.

Schon im Oktober 2017 hatte das Unternehmen eine Eigeninjektion live im Internet übertragen. Über Facebook wurde gezeigt, wie der HIV-Patient Tristan Roberts sich ein von Ascendance bereitgestelltes Mittel injizierte. Das Unternehmen bezeichnete es als Gen-Therapie, die dazu dienen solle, die Zahl der HIV-Partikel in Roberts' Blut zu verringern. Funktioniert hat sie nicht: In den Wochen nach der Injektion nahm die Viren-Belastung bei Roberts zu.

Mehr Infos

Traywick, der keine formale medizinische Ausbildung hatte, plante zudem den Test einer experimentellen Therapie gegen Lungenkrebs, bei der offenbar das Gen-Editierwerkzeug CRISPR eine Rolle spielte. Die Therapie sollte in einer Klinik in Tijuana in Mexiko angeboten werden, nur ein paar Meile südlich der US-Grenze.

Eine Website namens crisprrejuvenation.com macht Werbung für die Studie und führt Traywick auf ihrer „über uns“-Seite auf. Laut der Website, registriert und zuletzt aktualisiert im März, werden 50 Personen mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen gesucht. Interessierte Patienten werden gebeten, 25 Dollar für eine Konsultation mit Traywick zu bezahlen, bevor sie sich für die Studie anmelden. Ob irgendwelche Patienten das getan haben, ist nicht bekannt.

Die Website lässt erkennen, dass die Therapie auf das Gen p53 abzielen soll, das normalerweise als Tumor-Suppressor dient. Bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs aber enthält das Gen oft eine Mutation, die zulässt, dass Krebszellen unkontrolliert wachsen. Zur Zeit der Erstveröffentlichung dieses Artikels gab es eine Facebook-Seite für die Studie. Die auf der Website und dort genannte Telefonnummer führt zu einem Anrufbeantworter-Dienst von Google Voice für Ascendance Biomedical.

Im Dezember hatte die American Society for Gene and Cell Therapy eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie vor unregulierten Gen-Therapien warnte. Solche Prozeduren seien gefährlich und hätten wahrscheinlich keinen Nutzen. Michele Calos, eine Standford-Wissenschaftlerin und Vice-President der Organisation, hatte Technology Review dazu gesagt, sie habe die Sorge, dass unseriöse Kliniken anfangen könnten, so genannte Gen-Therapien anzubieten, so wie sich auch fragwürdige Stammzell-Therapien verbreitet hätten

„Das ist das, wovor wir Angst haben, und wahrscheinlich wird es dazu kommen“, sagte sie, nachdem sie sich jetzt die Website von CRISPR Rejuvenation angesehen hatte.

In China gibt es bereits eine Handvoll klinischer Studien für CRISPR-basierte Krebstherapien. Die erste derartige Studie in den USA wird von der University of Pennsylvania geleitet und nimmt derzeit Patienten mit bestimmten Krebsarten an. Laut einem Bericht des Wall Street Journal von diesem Januar hat die Universität fast zwei Jahre damit verbracht, auf Sicherheitsbedenken einzugehen, bevor sie die bundesbehördliche Genehmigung für die Studie bekam.

Ein Mitarbeiter von International BioCare Hospital & Wellness Center, der Klinik in Tijuana, sagte auf telefonische Nachfrage, die dortigen Ärzte hätten mit Traywick zusammengearbeitet, um die Studie vorzubereiten. Nach seinem Tod werde sie aber nicht weiter verfolgt.

Normalerweise werden wissenschaftliche Studien mit menschlichen Probanden zunächst von einer Ethik-Kommission überprüft. Der Mitarbeiter bei International BioCare Hospital wusste nach eigenen Angaben nicht, ob die von Traywick geplante Studie ein solches Verfahren durchlaufen hat.

Rodrigo Rodriguez, ein Arzt und Gründer des International BioCare Hospital, der auch auf der CRISPR Rejuvenation Website aufgeführt ist, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Klinik bietet „alternative“ Behandlungen gegen Krebs an, beispielsweise medizinische Ernährung, Entgiftung, Antioxidantien-Therapien, Ozon-Therapien sowie Ganzkörper-Hyperthermie, wie aus einer Werbebroschüre hervorgeht. Die Wirksamkeit solcher Therapien gegen Krebs ist nicht erwiesen.

Die anderen auf der Website genannten Beteiligten waren nicht zu erreichen.

In einem früheren Interview mit der US-Ausgabe von Technology Review hatte Traywick gesagt, Ascendance Biomedical wolle die bundesstaatliche Regulierung der USA und die typischerweise jahrelangen Prozesse in der Medikamenten-Entwicklung umgehen, um neue Therapien schneller zu Patienten zu bringen. Bislang gibt es keine Belege dafür, dass irgendeine der Therapien von Ascendance hilft, und auf der Website des Unternehmens sind kaum Informationen darüber zu finden, woraus die Therapien bestehen.

(sma)