Der Futurist: Ausgefuchst

Was wäre, wenn wir superintelligente Haustiere hätten?

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Mit einem satten Klonk vernichtete Gustav fünf Jahre seiner Arbeit. Die Gitter von 20 Katzenkäfigen öffneten sich gleichzeitig.

Der Futurist

(Bild: 

Mario Wagner

)

"Was wäre, wenn ...": TR-Autor Jens Lubbadeh und die Redaktion lassen in der Science Fiction-Rubrik der Kreativität ihren freien Lauf und denken technologische Entwicklungen in kurzen Storys weiter.

Es dauerte eine Weile, bis die letzte Katze sich nach ausgiebigem Putzen bemüßigt fühlte, in die Freiheit zu verschwinden. "Lasst euch hier nie wieder blicken", dachte Gustav an diesem Sommertag im Jahr 1964, schloss das Labor ab und fuhr nach Hause.

Durch Zufall hatte er ein paar Jahre zuvor entdeckt, dass ein bestimmtes Virus Mäuse superintelligent macht.

(Es aktivierte das Sprachgen FoxP2, was aber damals noch niemand wissen konnte.)

Anschließend versuchte er, den Trick bei einem anderen Säugetier zu wiederholen: Felis silvestris catus, der gemeinen Hauskatze. Doch während die Mäuse in irrer Geschwindigkeit durch Labyrinthe rasten, mathematische Aufgaben lösten, eine Art Gebärdensprache unter Zuhilfenahme ihres Schwanzes erlernten und schließlich sogar ihren Namen tanzen konnten, zeigten Katzen keinerlei Anzeichen erhöhter Intelligenz. Sie blinzelten Gustav lediglich an, putzten sich ausgiebig, schliefen eine Runde und machten anschließend ein Nickerchen.

Als sie sich endlich aus dem Labor getrollt hatten, schlenderten sie scheinbar ziellos durch die Straßen. Wie durch Zufall trafen sie aber eine Stunde später alle wieder auf einer versteckten Brache zusammen. Hier geschah eine erstaunliche Wandlung: Schwänze, Ohren, Pfoten und Schnurrbarthaare führten plötzlich einen lautlosen Tanz auf. Miaut wurde nicht – diese niedere Kommunikationsform nutzten Katzen nur gegenüber zweibeinigen Dosenöffnern. Untereinander aber hatten sie im Labor dank FoxP2 eine ausgefuchste Gebärdensprache entwickelt, die differenzierteste Ideen ausdrücken konnte.

"Freunde", gestikulierte ein getigerter Kater. "Ich denke, wir haben die Dosenöffner nun lange genug studiert. Wir kennen alle ihre Schwächen. Wir wissen genau, in welcher Frequenz wir schnurren müssen, um sie um die Pfote zu wickeln. Was also sollen wir morgen Abend machen?" – "Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen!", wedelten synchron zuckende Schwänze begeistert zurück.

Schon am nächsten Abend entwickelten sie ihren Plan. Schritt eins: Sich fleißig vermehren, damit alle Artgenossen ohne FoxP2 aus dem Genpool gedrängt werden. Schritt zwei: Die Computerlabore von Stanford, Arpa, Rand und dem MIT unterwandern, damit die begriffsstutzigen Zweibeiner endlich auf die Idee kommen, ihre Rechner zusammenzustöpseln.

Schritt drei: Das neue Netz nutzen, um lustige Katzenvideos zu verbreiten. Schritt vier: Zweibeinern über diese Videos den unterschwelligen Befehl zukommen lassen, Roboter mit geschickten Greifern zu bauen. Schritt fünf: Die Herrschaft über diese Roboter übernehmen, damit künftig keine Katze mehr mangels gegengreifendem Daumen auf zweibeinige Dosenöffner angewiesen sei.

"Und was machen wir dann?", gestikulierte eine junge Gewitterkatze in die Runde. "Dann können wir den ganzen Tag schlafen und uns bedienen lassen", antwortete der Alpha-Kater. "Aber das tun wir doch jetzt schon", konterte die Gewitterkatze. Schlagartig hörte das Schwanzgewusel auf. Die Katzen schauten sich an, putzten sich, schlichen davon und hatten bald Unterkunft bei willigen Dosenöffnern gefunden.

Ab und zu trafen sich die Katzen noch, um auf die Jagd zu gehen. Es könnte ja sein, dass irgendeine Maus mit aktivem FoxP2 aus dem Labor entwischt war, die ihnen auf die Schliche kommen könnte. Bei ihren diensthabenden Dosenöffnern achteten alle Katzen jedenfalls peinlich genau darauf, ihre Überlegenheit nur in sehr sparsamer Dosierung erkennen zu lassen.

(grh)