Lernen durch Unsicherheit

Menschliche Sprache ist uneindeutig, und wenn man das ignoriert, können automatische Systeme unbefriedigende Ergebnisse liefern. Ein Start-up will Maschinen mit probabilistischen Verfahren treffsicherer machen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Will Knight
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Es klingt paradox: Ein Ansatz für künstliche Intelligenz, der sich Unsicherheit und Mehrdeutigkeit zunutze macht, könnte dabei helfen, zukünftige virtuelle Assistenten weniger verwirrt zu machen.

Entwickelt wurde die Technik von Gamalon, einem Start-up aus dem US-Bundesstaat Massachusetts. Sie dient dazu, Maschinen den Umgang mit Sprache beizubringen. Inzwischen testen mehrere Unternehmen eine Chatbot-Plattform auf ihrer Grundlage.

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Mit Hilfe des neuen Ansatzes sollen Computer sinnvolle und zusammenhängende Gespräche führen können, denn er bietet eine Möglichkeit für den Umgang mit den unterschiedlichen Bedeutungen, die eine Äußerung haben kann. Wenn ein Mensch etwas Uneindeutiges sagt oder tippt, trifft das System eine Einschätzung dazu, was er am ehesten gemeint haben dürfte.

Die virtuellen Assistenten und Chatbots von heute folgen meist einfachen Regeln, um auf Fragen zu reagieren. Neuere Fortschritte bei statistischem Maschinenlernen erhöhen die Flexibilität, weil sie Maschinen zum Beispiel Antworten finden lassen, indem sie große Textmengen durchsuchen. Jedoch können beide dieser Ansätze an der enormen Komplexität und Mehrdeutigkeit von Aussagen in natürlicher Sprache scheitern.

Auch der Ansatz seines Unternehmens beruhe auf Regeln und Maschinenlernen, sagte Ben Vidoga, Gründer und CEO von Gamalon, gegenüber der US-Ausgabe von Technology Review. Allerdings komme ein probabilistisches Verfahren hinzu. In der Praxis kann das System dadurch mit Unsicherheit umgehen, indem es seine bestmögliche Einschätzung dazu erarbeitet, was gemeint ist. Außerdem hat es ein Gesprächsgedächtnis. Man kann also fragen, „und wie sieht es morgen aus?“, wenn man sich zuvor nach dem Wetter am heutigen Tag erkundigt hat.

Laut Vigoda kann das System dadurch von einer kleineren Menge an Daten lernen und die Fehlerquote reduzieren. Außerdem kann es erklären, warum es eine bestimmte Reaktion zeigt. „Sprache ist nicht wirklich wie ein Entscheidungsbaum“, sagt der Gründer. „Es geht darum, stärker wie ein Mensch zu sein.“

Gamalon hat zusätzlich eine Schnittstelle entwickelt, über die normale Nutzer intern mit dem System interagieren können. Sie können einen leistungsfähigen Chatbot erstellen, indem sie einen Baum von Optionen für ein Gespräch definieren; wie sich der konkrete Dialog dann entwickelt, können sie dem System überlassen. Die Technologie wird derzeit bei mehreren Unternehmen getestet.

Noch ist die Art und Weise, wie Gamalon Maschinen für nützliche Arbeiten trainiert, eine Ausnahme unter KI-Unternehmen. Eine wachsende Zahl von Experten ist allerdings der Ansicht, dass neue Techniken wie diese gebraucht werden, um weitere große Fortschritte zu erzielen.

Jegliche Fortschritte bei der Verarbeitung natürlicher Sprache könnten große kommerzielle und praktische Auswirkungen haben. Sprachassistenten wie Alexa oder Siri bieten sehr bequeme neue Möglichkeiten zur Interaktion mit Computern, sind bei ihrer Nutzung von Sprache aber noch extrem eingeschränkt. Wenn man nicht sehr deutlich spricht, kann der Umgang mit Sprachassistenten und Chatbots eine eher ärgerliche Erfahrung sein.

Für David Blei, Professor an der Columbia University, bringt das Konzept von Gamalon mehrere wichtige aktuelle Entwicklungen aus der Welt des Maschinenlernens zusammen. Die Idee, KI-Systeme interaktiver und besser erklärbar zu machen, bezeichnet er als besonders spannend. „Bei interaktivem Maschinenlernen geht es darum, den Menschen mit einzubeziehen“, sagt er. „Das ist eine sehr realistische Möglichkeit, wie erweiterte Intelligenz funktionieren könnte.“

(sma)