Was war. Was wird. Daten schützen, Daten topfen, Daten deckeln

Auch Hal Faber blickt noch einmal auf die Absurditäten, die uns die DSGVO diese Woche bescherte. Dabei lenkten sie von einigen Überwachungsmaßnahmen ab, die eher unter dem Radar liefen.

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Was war. Was wird. Daten schützen, Daten topfen, Daten deckeln

Ganz viele Datenschutz-Mails zu beantworten.

(Bild: iAmMrRob)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

White Paper Polizei 2020

*** Eine Woche der Belehrungen, Begrüßungen, Beleidigungen und Verwünschungen liegt hinter uns. Die DSGVO sorgte dafür, dass jede nur denkbare Reaktion auf den Datenspeicherwunsch irgendwelcher Firmen in der Inbox aufklatschte. Mal war ein ausdrückliches JA erwünscht, mal ein NEIN, wenn man nicht gelöscht werden wollte. Mal wurde großartig erklärt, man brauche GAR NIX zu tun, mal war ein Klick auf einer URL gefragt, die zu einem Button führte, der getätigt werden musste, und eine erneute Mail auslöste, die bestätigt werden musste. Mal wurde eine Organspendeerklärung verlangt, mal eine Zahlung per Paypal. Mal mit kumpelhaftem "Hallo Du" in der Ansprache, mal barsch wie ein Schleifer beim Militär. Welchselbiges übrigens eine originelle Fax-Lösung präsentierte. Die große Symphonie der Digitalisierung, von der Huawei in seiner Mail zum Thema schwärmte, erwies sich als echte Kakafonie. Das Absurditätenkabinett und die Ruhmeshalle der GDPR waren in Nullkommanichts gut gefüllt, noch ehe die übliche Bitkom-Klage zum Untergang der deutschen IT-Industrie eintrudelte. Passend zur Bandbreite der Reaktionsmöglichkeinten fiel natürlich die Meinung der Experten aus, vom Größten Anzunehmenden Unsinn vom Ende des Bloggens bis zum lauten Jubel über den Festtag des Datenschutzes war alles dabei. Nur wenige sahen in der neuen Verordnung nüchtern eine notwendige Zumutung. Jetzt warten alle und mein Hund auf diese sagenhaften Abmahnanwälte, die in fast jedem Artikel mitsamt ihrer Fantastilliarden erwähnt wurden. Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Open the Pod Bay Doors, Hal. I’m sorry, Dave. I’m afraid I can’t do that. What’s the problem? Dave, I've updated my privacy policy. Hal, I won’t argue with you anymore. Open the doors! Dave... This conversation can serve no purpose anymore. Goodbye.

*** Auch das Ausland spielte mit und produzierte wunderbare Sachen wie die Erinnerung an das frühe Internet, wenn man mit einer europäischen IP-Nummer vorbei schaute. Bei anderen lautete die Parole Europäer müssen draußen bleiben, im Land des rätselhaften Trumpeltiers gibt es keine Informationen mehr für sie. Besonders ist der Umstand zu betrauern, dass Europäer nicht mehr die schöne Gedenkmünze anschauen können, die bei allem hin und her weiterhin verkauft werden soll. Aber hey, jeder spielt Spiele und das Zocken um den Weltfrieden ist für einen wie Trump auch nur ein Deal wie jeder andere. Wo doch 31 ausländische Journalisten den Prozess der Abschaffung des Atomtestplatzes transparent recherchiert hatten, kann es ja weitergehen. Ganz lässig im Vorbeigehen bei der Fahrt zum Golfen in Schottland so einen Nobelpreis abgreifen, das ist doch ganz nach dem Geschmack von Donald Trump. Die beiden Koreas basteln noch am richtigen Köder.

*** Neben der Datenschutz-Grundverordnung sind in dieser Woche eine ganze Reihe anderer Daten-Verordnungen in Kraft getreten, die erwähnenswert sind. Da ist einmal das BKA-Gesetz, mit dem die größte deutsche Polizeibehörde etliche neue Befugnisse bekommt. Sie übernimmt jetzt die Ermittlungen, sowie nur der leise Verdacht besteht, dass ein ausländischer Geheimdienst an einer Straftat beteiligt ist oder eines Verbrechens beschuldigt wird. Auch ist es für das BKA jetzt wesentlich leichter, trotz einer Kurskorrektur durch das Bundesverfassungsgericht, jetzt jemanden als "Gefährder" einzustufen und zu überwachen, "wenn das individuelle Verhalten der betroffenen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in einem übersehbaren Zeitraum eine terroristische Straftat begehen wird." Diesen hübsch vage definierten Personen kann das BKA nun Auflagen wie das Tragen einer Fußfessel, Aufenthaltsvorgaben oder Kontaktverbote machen. Die wichtigste Änderung harrt noch der Realisierung: Das Konzept Polizei 2020 mit einem einzigen großen Datentopf an Stelle vieler Einzeldateien wie der berüchtigten, gerade aktuell nach Russland reisenden Datensammlung Gewalttäter Sport ist noch im Aufbau. Hübsche White Paper mit gelungenen Datentopfgrafiken sind immerhin schon verfügbar. Es flutscht und pfeilt in Inpol-superneu, dass es eine wahre Freude ist. Die Vorfreude auf transparente Recherche à la Nordkorea steigt.

Zuviel Transparenz ist auch nicht gut: in dieser Woche stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg das Verfahren gegen Polizisten ein, die vermummt an der G20-Demonstration "Wellcome to Hell" teilnahmen. Weil dort Vermummte dem Entmummungsbefehl der Polizei nicht folgten, wurde die Demo aufgelöst, mit bekannten Folgen. Ob die Vermummten Polizisten waren, kann nicht ermittelt werden, weil vermummte Polizisten auf einer Demonstration nicht als Teilnehmer gelten.

*** Ganz unvermummt fliegt es sich als Passagier über den Wolken, von vielen Daten begleitet. Besondere Essenswünsche? Vielflieger-Status? Schulschwänzer? Könnte ja alles darauf hindeuten, dass jemand ein Gefährder ist. Also muss man sich im Flieger nackig machen, datentechnisch gesehen – der Datenschutz endet einfach in 100 Meter Höhe. Ganz unbeleckt vom DSGVO-Trubel ist die EU-Richtlinie über Fluggastdatensätze in Kraft getreten. "Wir haben uns ein weiteres Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem Kriminelle und Terroristen wirksamer aufgespürt und gestoppt werden können, um Europa widerstandsfähiger gegenüber Bedrohungen zu machen – ein Europa, das schützt." Das Bundesverwaltungsamt hat also die Fluggastdatenzentralstelle, eine massive InMemory-Datenbank in Betrieb genommen, die aussiebt und bewertet, bis 0,07 Prozent der täglich anfallenden Fluggastdaten vor dem Abflug an das BKA übermittelt werden. Dort sitzt dann ein Kriminaler mit Zugriff auf SIS II und andere Fahndungsdatenbanken und überlegt beispielsweise, ob der Künstler oder Ordensname Hal Faber auf eine Gefahr für Europa hindeutet. Lustig ist die Formulierung "ein Europa, das schützt": Unter diesem Namen firmiert eigentlich das Löschprogramm der EU-Kommission, das illegale und terroristische Inhalte im Internet abschalten soll. Wenn im Juli unsere österreichischen Nachbarn den Ratsvorsitz übernehmen, soll es zudem das EU-Motto werden.

Plötzlich und unerwartet ist der kleine Init-Prozess von uns gegangen, der Ausblick auf die wöchentlichen Termine. Das ist schade, denn neben den DSGVO-Eskapaden rappeln wieder CeBIT-Nachrichten ohne Ende in der Inbox. Viele davon sind wenig konkret und preisen das persönliche Gespräch mit dem Standpersonal. Die Messe ist jetzt nicht mehr der Ort, wo man sich die neuesten 80386er anguckt, sondern "Europas Business-Festival für Innovation und Digitalisierung". Da liest man von Veranstaltungen, die für mutige Visionäre "IT-Prozesse zum Anfassen" anbieten, wahrscheinlich noch mit den bloßen Händen. Vielleicht sind auch VR-Brillen mit im Spiel. Es gibt "Mitmach-Erlebnis-IoT" ganz ohne das Plappermail Alexa und jede Menge Robotik. Zudem treten Supergroups wie Mando Diao und Digitalism auf, die "Lust auf Digitalisierung" machen sollen.

(Bild: Cebit)

In jeder dritten Vorabmeldung revolutioniert irgendeine Blockchain wahlweise das Finanzwesen, die Cloud oder noch allgemeiner irgendeine Transformation. Alles ist Big, Smart und Hip und irgendwie ein Sommerfest des Bitkoms mit Ausstellerfläche. Ein Riesenrad der Innovationen gibt es auch, nur das Bällebad der Entscheider ist mir noch nicht untergekommen. Auch der Veranstalter ist schwer musikalisch, mit einer versteckten Hommage an IBM: "Der Dreiklang aus Messe, Konferenz und Networking-Event ermöglicht den 360-Grad-Blick auf die Digitalisierung von Unternehmen, Verwaltung und Gesellschaft." Ein Dreiklangwunder dort, wo Firmen davon schwärmen, dass sie als "beispielloses Ereignis des Marktschicksals" entstanden sind. Bekanntlich wird Wirtschaftsminister Peter Altmaier die CeBIT eröffnen, selbst der berühmte KanzlerInnen-Rundgang entfällt. Allen Mühseligen und Beladenen sei schon einmal der Weg in Halle 13, Stand B74 empfohlen. Da ist Heise in XXL. (mho)