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Fahrbericht: Yamaha Niken

Ist das überhaupt ein Motorrad? Wie aktuell an den Reaktionen zu Yamahas neuen Niken zu sehen, geht es in der Diskussion heftig zur Sache. Selten hat ein Krad im Vorfeld so viel Häme einstecken müssen, wie das Leaning Multi Wheeler genannte Motorrad von Yamaha

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Zweirad, Yamaha 19 Bilder
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Michael Praschak
Inhaltsverzeichnis

Innovationen im Motorradbau werden seit jeher heiß diskutiert. Was mit ABS in den frühen Neunzigern begann, setzte sich in den Zweitausendern bei der Schlupfregelung fort: Fahrassistenzsysteme wurden von vielen zunächst als Angriff auf die Selbstbestimmung empfunden. Besonders heiß wird es, wenn ein neues Konzept die Vorstellung vom Motorrad in ihren Grundfesten erschüttert, wie aktuell das Elektrokrad.

Wie an den Reaktionen zu Yamahas neuen Niken (sprich: Neiken) zu sehen, geht es aber noch heftiger. Selten hat ein Motorrad im Vorfeld so viel Häme einstecken müssen, wie das Dreirad, ähhh das Leaning Multi Wheeler genannte Motorrad von Yamaha.

Können drei Räder Motorrad?

Alle, die sich ein wenig mit der Yamaha Modellpalette auskennen, werden sich vielleicht schon bei der ersten Präsentation der Niken Ende 2017 gefragt haben, woher die Japaner den Mut zu so einem Konzept nehmen. Zur Erinnerung: Bereits 1993 versuchte sich Yamaha mit dem Sporttourer GTS 1000 am ersten in Serie produzierten Motorrad mit Achsschenkellenkung. Und bereits vor 25 Jahren wurde die Experimentierfreude der Japaner abgestraft. Mit in Deutschland nur knapp 1400 verkauften Exemplaren konnte die GTS getrost als Flop bezeichnet werden. Schuld war damals aber vor allem die mangelnde Reife des Systems, das keine wirklichen Vorteile generierte sowie die unglücklich gewählte, kurvenunwillige Vorderraddimension von 130/60.

Nun versuchen es die Ingenieure aus Iwata also erneut mit einer extravaganten Vorderradaufhängung. Doch während bei der GTS komplett auf den konventionellen Ansatz des telegabelgeführten Vorderrads verzichtet wurde, kommt er bei der Niken sogar in doppelter Ausführung. Zwei Räder statt einem, vier Gabelholme statt zwei. Und hier beginnt schon die Grundsatzdiskussion. Geht ein Motorrad mit drei Rädern? Und – viel wichtiger – können drei Räder Motorrad?

Viel besser als gedacht

Doch lassen wir die Aufhängung erstmal außen vor. Die Niken bringt alles mit, was man für ein Motorrad braucht. Das Herzstück ist ein alter Bekannter. In der Niken werkelt nämlich der 847 Kubikzentimeter große CP3-Motor aus der MT-09 und der Tracer 900, der mit 115 PS und seinen 87,5 Nm Drehmoment nominell eins zu eins aus der MT übernommen wurde. Einziger Unterschied: um die Fahrbarkeit zu verbessern, wurde die Kurbelwelle überarbeitet und die Trägheit um 18 Prozent erhöht.

Umspannt wird das Triebwerk von einem sogenannten Hybrid-Rahmen, der so heißt, weil er aus einem Stahlgitterrohr-Teil und einem steifen Aluminium-Element für die Schwingenaufnahme besteht. Obwohl es sich beim Rahmen um eine Neuentwicklung handelt, ist die Ergonomie der Niken einem aktuellen Modell der Yamaha Produktpalette sehr ähnlich, sogar die Abmessungen des Dreiecks aus Lenker, Sitz und Fußrasten wurden vom Sporttourer Tracer 900 übernommen. Einziger Unterschied: der Fahrer wird aufrechter und etwas weiter hinten platziert.