Regie: KI, Buch: KI, Gesprochen von: KI

"Sheldon County" ist ein Podcast, der komplett von einem KI-System geschrieben und eingesprochen wird.

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Wir hören eine nicht unangenehm klingende, junge Frauenstimme, die fast ein bisschen hypnotisch wirkt. Sie berichtet von einem uns noch unbekannten Ort, einem "Nothing Place", einem "Nichtsort", dem sogenannten Sheldon County und seinen merkwürdigen Bewohnern. Im Hintergrund läuft eine langsam euphorischer werdende Musik aus dem Synthesizer. Wir werden förmlich in diesen Podcast hineingezogen.

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Das Bemerkenswerte an diesem Stück Audio, von dem es mittlerweile mehrere Folgen gibt: Es handelt sich um Geschichten aus dem Computer, gesprochen von einer Computerstimme – Justine, um genau zu sein, eine realistisch klingende Sprachsoftware, die man sich von Amazons Webdienstetochter AWS mieten kann.

Hinter dem Projekt steckt James Ryan, Doktorand an der University of California in Santa Cruz, der sich auf das Thema Computational Media – also Medien, die Rechner erstellen – spezialisiert hat. Zuvor hatte er schon zwei Masterstudiengänge in Computerwissenschaften und Gesundheitsinformatik abgeschlossen.

Das Projekt geht aber noch viel weiter. Ryan hat nicht nur ein Programm geschrieben, das auf Basis maschinellen Lernens Geschichten erstellen und diese einsprechen kann, er will aus "Sheldon County" auch noch eine individualisiertes Projekt machen. Jeder Nutzer soll künftig seinen eigenen Podcast erhalten, stets neu generiert, wenn er oder sie eine zufällige Zahl in eine Website eintippt, die als mathematischer Ausgangspunkt dient.

Dabei nutzt Ryan eine Technik, die man bereits aus Computerspielen kennt: Die prozedurale Generierung von Inhalten. In einem Game entstehen so ständig neue Welten, ohne dass diese von einem Programmierer vorab festgelegt werden müssten. Der Vorteil: Die Spieler langweilen sich nie. "Im Zeitalter des Binge Watching und Binge Listening (also des Anschauens und Anhörens kompletter Staffeln von TV-Serien und Podcasts) wollen wir einen unendlichen Podcast schaffen", erklärt Ryan das.

Sheldon, die Software, durchforstet dabei eine von Ryan zuvor entwickelte Simulation einer amerikanischen Kleinstadt nach interessanten Geschichten, die sich vertonen lassen. Dabei werden verschiedene narrative Vorgaben eingehalten, die Ryan vorher festgelegt hat. Die Simulation enthält bereits ein komplexes Konstrukt einer bestehenden Gesellschaft mit Charakteren und Sozialstrukturen, die detailliert ausgeführt sind. Diese lassen sich vom Computer aber stets neu erfinden und verbinden. Die Eingabe der Zahl durch den Nutzer verwürfelt das alles.

Ein Proof-of-Concept-System ist bereits fertig und wurde zur Schaffung der ersten Episoden verwendet, auch die notwendige Backend-Software hat der Doktorand, der über "Sheldon County" seine Doktorarbeit schreiben wird, bereits weitgehend ausentwickelt. Wenn es nach ihm geht, werden eines Tages ganze Romane und TV-Serien aus dem Rechner kommen. Er will Computer als Kreativmaschinen einsetzen.

(bsc)