"Signalpiraterie"-Vertrag: Extraschutz für Signale von Rundfunkanbietern

Der Zombie unter den völkerrechtlichen Verträgen zum Schutz von Rechteinhabern ist zurück. Mitglieder der WIPO empfehlen eine diplomatische Konferenz.

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"Signalpiraterie"-Vertrag – nach Scheintod möglicherweise vor dem Abschluss

(Bild: Life-Of-Pix)

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Die Generalversammlung der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) soll im Herbst einen neuen Anlauf unternehmen, Rundfunkanbieter mit einem eigenen Völkerrechtsvertrag gegen Signalpiraterie zu schützen. Das haben am vergangenen Freitag die Mitglieder des zuständigen WIPO Ausschusses empfohlen. Nichtregierungsorganisationen, darunter der Weltverband der Bibliotheken (IFLA), warnen vor Hürden für die Nutzung von Sendungen zu Unterrichts- und Aufklärungszwecken.

Schon seit 1998 wird über den so genannten "Broadcasting Treaty" verhandelt. 2006 gab es einen ersten Anlauf der Generalversammlung, das umstrittene Rechtsinstrument im Rahmen einer Vertragskonferenz in den Kanon der WIPO-Verträge aufzunehmen. Kritiker hatten von Beginn an die möglichen Überschneidungen zwischen dem Schutz des Inhalts einerseits und des reinen Signals andererseits kritisiert.

Die Vorbereitungskonferenzen für die geplante Vertragskonferenz 2007 scheiterten letztlich an Unstimmigkeiten, wer genau in den Genuss des neuen Schutzrechtes kommen sollte. Seither geistert der Broadcasting Treaty als Untoter durch die Verhandlungsrunden des für Urheber- und verwandte Rechte zuständigen Ausschusses (SCCR).

Bei dessen Sitzung in der vergangenen Woche in Genf kamen die Mitgliedsstaaten nun überein, die Generalversammlung noch einmal zur Einberufung einer Abschlusskonferenz aufzufordern. Laut dem aktuellen Entwurf werden nur traditionelle Rundfunkanbieter in den Genuss des Zusatzschutzes kommen sollen. Reine Internetanbieter oder Streamingportale müssen draußen bleiben. Die Schutzrechte betreffen das Signal der Ausstrahlung und verschiedene Varianten von zeitversetzen Formaten bis hin zum Abruf aus den Mediatheken der Sender. Sanktioniert werden soll auch die Umgehung oder Manipulation von technischen Zugangssperren.

Dass das "Signal" unabhängig von dem für die Inhalte bestehenden Urheberrecht für 50, 20 oder x Jahre geschützt werden soll, ruft verschiedene Nichtregierungsorganisationen auf den Plan. Da wo die Inhalte urheberrechtlich geschützt sind, ist der Extraschutz überflüssig und erschwert die Lizenzierung, mahnt Jeremy Malcolm von der Electronic Frontier Foundation. Da wo die Inhalte nicht urheberrechtlich geschützt sind, eigneten sich die Sender Rechte an, die ihnen nicht zustehen. James Love von Knowledge Ecology International warnt, die Rundfunkanbieter würden sich Rechte an Material aneignen, das sie weder geschaffen noch lizenziert haben, und das ihnen nicht einmal gehören muss.

Hürden für ihre Arbeit sehen Institutionen wie Bibliotheken. Das neue Schutzrecht könne sie daran hindern, Filmmaterial zu archivieren und zu Informations- und Bildungszwecken zugänglich zu machen. Schrankenregelungen schreibt der aktuelle Entwurf zum Broadcasting Treaty nämlich klein.

Die ebenfalls seit mehreren Jahren auf der Agenda der WIPO stehenden globalen Schrankenregelungen für Bibliotheken, Archive, Bildungseinrichtungen und Menschen mit Behinderungen wurden zurückgestellt. Nach der Verabschiedung einer Blindenschranke, deren Umsetzung in der EU beschämend lang dauerte, soll wohl erst wieder ein neues Schutzrecht zum Zug kommen.

Immerhin wurde ein Aktionsplan für neuen Schrankenregelungen angenommen. Der Plan sieht in den nächsten eineinhalb Jahren breite Konsultationen mit den Fachleuten zu den bestehenden Problemen vor. Ein EU-Vertreter warnte, die Zustimmung der Union zu dem Aktionsplan bedeute natürlich nicht, dass man neue Verträge zu globalen Schrankenregelungen befürworte. (mho)