Poker um Energie-Zukunft

Dass Politik Forschung oftmals eher behindert als befördert, ist keine echte Neuigkeit. Ärgerlich ist es aber dennoch immer wieder.

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"Die nächste Station ist Didcot Parkway". Eigentlich war ich ja auf Urlaub, aber die Ansage im Zug triggerte irgendeine Erinnerung. Richtig: Hier musste ich 2015 aussteigen, um Tokamak Energy besuchen zu können - ein privat finanziertes britisches Unternehmen, das bis 2025 mit einem kleinen Fusionsreaktor Energie produzieren will.

Die Idee für die kleinen, kompakten Fusionsreaktoren stammt aus dem nahegelegenen Forschungszentrum Culham, das ich einen Tag zuvor besucht hatte. Dort steht der JET, der "Joint European Torus" in dem 1997 die erste kontrollierte Kernfusion der Welt gezündet wurde. Obwohl die Anlage schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, läuft hier noch immer wichtige Forschung: So wollen die Wissenschaftler 2019 einen Testlauf mit genau dem Deuterium-Tritium-Gemisch durchführen, das später auch im ITER-Fusionsreaktor verwendet werden soll. Das Experiment soll zeigen, ob sich das Gemisch tatsächlich so kontrollieren lässt, wie die Simulationen vorhergesagt haben.

Die Forscher am JET dürften sich allerdings im Moment mehr Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen, als um die Feinheiten der Plasmakontrolle. Denn wie das Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtet, steht die Finanzierung der Einrichtung im Moment auf der Kippe. Denn bisher wird der Betrieb des Forschungsreaktors weitgehend von der EU bezahlt. Aus der wollen die Briten nun aber aussteigen. Eigentlich wäre das alles kein echtes Problem - schließlich ist auch die Schweiz kein Mitglied der EU, beteiligt sich aber weiterhin an Euratom-Forschungen. Der nächste Haushalt für das ehrgeizige Fusionsforschungsprogramm muss allerdings vom EU-Parlament gebilligt werden, und das könnte tatsächlich bis Ende des Jahres dauern.

Für mich sieht das nach einem typischen politischen Pokerspielchen aus: Eigentlich braucht die EU die Forschungsergebnisse aus dem JET, aber die Gelegenheit ist günstig, jetzt bessere Bedingungen auszuhandeln. Umgekehrt wollen die Briten den Wissenschaftsstandort Culham eigentlich behalten, müssen aber darauf achten, dass der Brexit nicht zu teuer wird.

Die Forscher in Culham bereiten den Testlauf für den ITER vor, obwohl sie nicht wissen, ob sie am 1.1.2019 noch arbeiten oder der Reaktor geschlossen wird. Einige der Top-Leute hätten bereits "andere Möglichkeiten gefunden", klagt Culham-Chef Ian Chapman. Dass Politik Forschung oftmals eher behindert als befördert, ist keine echte Neuigkeit. Ärgerlich ist es aber dennoch immer wieder. Denn die Chance, dass aus dieser Forschung tatsächlich in absehbarer Zeit eine interessante neue Energiequelle erwächst sind zwar klein, aber nicht Null. Nicht umsonst investieren immer mehr private Unternehmen in die Fusionsforschung. Vielleicht sind die ja schlauer als Politiker.

(wst)