Start-up gegen das Altern

Ein neues Unternehmen von Forschern der Harvard University will Alterskrankheiten stoppen und so das Leben verlängern – erst bei Haustieren, und dann auch bei Menschen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Der weltweit einflussreichste Vertreter der synthetischen Biologie hat ein Unternehmen gegründet, das vorhat, Hunde mit Hilfe von Gen-Therapien jünger zu machen. Wenn das funktioniert, will er denselben Ansatz auch bei Menschen anwenden – und sich möglicherweise als eine der ersten Testpersonen zur Verfügung stellen.

Mehr Infos

Das bislang weitgehend im Stillen arbeitende Start-up heißt Rejuvenate Bio und wurde mitgegründet von George Church von der Harvard Medical School. Nach eigenen Angaben will es Tiere „jünger“ machen, indem es neue DNA-Instruktionen in ihre Körper einfügt.

„Wir haben bereits eine Reihe von Versuchen mit Mäusen gemacht und machen einige mit Hunden; als Nächstes wollen wir zu Menschen übergehen“, sagte Church Anfang dieses Jahres dem Podcaster Rob Reid. In einem von einem Tierarzt an der US-Westküste zur Verfügung gestellten Dokument von vergangenem Juni gibt Rejuvenate an, seine Gen-Therapie sei an vier Beagles an der Tufts Veterinary School in Boston getestet worden. Ob derzeit weitere Tests laufen, ist nicht bekannt.

„Hunde sind ein eigener Markt“, sagte Church Anfang Mai bei einer Veranstaltung in Boston. „Sie sind nicht einfach große Organismen, die Ähnlichkeit mit Menschen haben. Die Leute werden dafür bezahlen, und die FDA-Zulassung läuft viel schneller. Wir werden Studien mit Hunden machen, und das wird ein Produkt sein, mit dem wir den Schritt zu den schwierigeren Studien mit Menschen bezahlen können.“

Noch ist unbekannt, ob die Therapien des Unternehmens bei Hunden wirklich etwas bewirken. Wenn dem so ist, dürfte es jedoch nicht lange dauern, bis Menschen ähnliche Wundermittel haben wollen, was die Erfinder reich machen könnte. Die Verlängerung der Lebensdauer von Menschen ist „die größte Sache, die im 21. Jahrhundert passieren wird“, sagt David Sinclair, ein Biologe an der Harvard University, der mit dem Labor von Church zusammenarbeitet. „Wenn das funktioniert, werden die Aktivitäten von Elon Musk ziemlich banal aussehen.“

Auf die Idee, Haustiere zu behandeln, kam Rejuvenate Bio, weil der Beweis, dass sich die Lebensdauer von Menschen verlängern lässt, zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. „Man will nicht zur FDA gehen und sagen, dass man das Leben von Menschen um 20 Jahre verlängern kann. Dann würde man nur „toll, kommt in 20 Jahren mit den Daten wieder“ zu hören bekommen“, sagte Church bei der Veranstaltung in Boston.

Also will das Unternehmen zunächst versuchen, tödliche Herzprobleme bei Spaniels und Dobermann-Pinschern behandeln und damit Beweise dafür zu sammeln, dass die Konzepte auch bei Menschen funktionieren können.

Ergebnisse aus dem Labor sprechen bereits dafür, dass sich Alterung tatsächlich umkehren lässt. So können Wissenschaftler jede Zelle so „umprogrammieren“, dass sie einen frischen Zustand wie in einem Embryo einnimmt. Die Alterung in ganzen Organismen rückgängig zu machen, ist allerdings schwieriger, weil wir aus Billionen von spezialisierten Zellen bestehen, die zusammen agieren, nicht nur aus einer einzelnen in einer Petrischale. „Ich glaube nicht, dass wir der Fähigkeit, den Alterungsprozess insgesamt bei Säugetieren umdrehen zu können, auch nur nahe sind“, sagt J. Pedro de Magalhaes, der mit seinem Team an der University of Liverpool eine Datenbank mit Genen mit Bezug zu Langlebigkeit pflegt.

Bei Gen-Therapien werden DNA-Instruktionen in einen Virus eingesetzt, der sie dann in die Zellen des Empfängers transportiert. Im Harvard-Labor wurde diese Technologie bereits verwendet, um die Gen-Aktivität in alten Mäusen zu beeinflussen. Sie wurde erhöht oder verringert, um bestimmte Moleküle auf ein Niveau zu bringen, das dem bei jüngeren, gesunden Tieren entspricht.

Das Labor hat begonnen, sich durch eine Pipeline von mehr als 60 unterschiedlichen Gen-Therapien zu arbeiten, die einzeln oder in Kombinationen an älteren Mäusen getestet werden. Bald möchte die Gruppe einen wissenschaftlichen Bericht über eine Technik veröffentlichen, die das Leben von Nagetieren durch die Modifizierung von zwei Genen verlängert, die mit vier bedeutenden Alterskrankheiten zusammenhängen – Herz- und Nierenversagen, Fettleibigkeit und Diabetes. Laut Church sind die Ergebnisse „ein ziemlicher Knaller“.

In einer Präsentation über sein Projekt in Harvard zeigte Noah Davidsohn, der zweite Gründer von Rejuvenate, in diesem Januar zum Abschluss ein Bild des weißbärtigen Church von heute und ein weiteres von vor Jahrzehnten, als dessen Haare noch kastanienbraun waren. Doch unter dem zweiten Bild stand 2117 A.D. – 100 Jahre in der Zukunft.

Die Bilder zeigen Churchs Ambitionen, Alterung wirklich umzukehren. Wenn eine Behandlung belegt sicher sei, würde er mitmachen, sagt er, und sich vielleicht sogar als Versuchskaninchen für Studien zur Verfügung stellen. Das Ziel sei im Wesentlichen, „den Körper und den Geist eines 22-Jährigen mit der Erfahrung eines 130-Jährigen zu haben“.

Solche Ideen stoßen im Silicon Valley auf Interesse, wo Milliardäre wie Peter Thiel den Sieg über das Altern sowohl als persönlichen Imperativ als auch als potenziell riesiges Geschäft verstehen, das die Gesellschaft transformieren könnte. So erklärte Davidsohn dem Founder's Fund von Thiel in diesem Jahr, dass Wissenschaftler die Lebensdauer von einfacheren Organismen bereits verlängern können; also dürfte das auch bei Menschen möglich sein. „Wir werden in der Lage sein, die biologische Uhr zu kontrollieren und ein beliebiges Alter beizubehalten“, sagte er dem Investor.

Das Unternehmen hat laut seinen eigenen Dokumenten mit dem Konzept für die Wiederherstellung von Jugend und die Verlängerung der „maximalen Lebensdauer“ bereits Hundezüchter, Ethiker und Tierärzte kontaktiert. Die Strategie ist, vor dem Schritt zu Menschen zunächst auf dem Haustier-Markt Fuß zu fassen – auf dem Amerikaner pro Jahr bereits 20 Milliarden Dollar für Tierärzte ausgeben.

Im vergangenen Jahr begann Rejuvenate, Kontakt zu den Besitzern von Hunden namens Cavalier King Charles Spaniel aufzunehmen, und kündigte eine Gen-Therapie gegen Erkrankungen der Mitral-Herzklappe an, die ungefähr jeden zweiten dieser winzigen Hunde vor dem zehnten Lebensjahr töten.

Genauere öffentliche Informationen über die Art der Therapie gibt es nicht. Sie könnte aber einer Behandlung gegen Herzschäden ähneln, die Davidsohn als Postdoc in Churchs Bostoner Labor an Mäusen getestet hat. Dabei wurde mittels einer Gen-Therapie das Protein TGF-beta blockiert, das als „Hauptschalter“ für den Prozess gilt, durch den Herzklappen Narben bilden, sich verdicken und eine falsche Form einnehmen, wie es auch bei Hunden geschieht.

In einem im vergangenen Jahr an Spaniel-Besitzer verbreiteten Flugblatt gab Rejuvenate ohne Einschränkungen an, die noch unerprobte Behandlung würde Haustiere „gesünder, glücklicher und jünger“ machen.

Doch selbst wenn die Therapie das Voranschreiten von Herzkrankheiten stoppen kann: Ist das eine „Altersumkehrung“ oder doch nur eine Form von Krankheitsprävention? Für Church liegt die Antwort auf diese Frage darin, ob der Körper eines alten Hundes heilen kann wie der eines jungen. So oder so aber, sagt er voraus, werden sich die Besitzer von Haustieren keine großen Gedanken über solche feinen Unterschiede machen, wenn ihr Hund „herumspringt und mit dem Schwanz wedelt“.

(sma)