FBI-Untersuchung: Hillary Clinton in E-Mail-Affäre nicht anzuklagen war okay

Clinton nicht anzuklagen war keine Sonderbehandlung, meint der Rechnungshof des US-Justizministeriums. Ex-FBI-Chef Comey kommt trotzdem schlecht weg.

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Hillary Clinton in rotem Anzug mit Mikrofon

Hillary Clinton im März 2016

(Bild: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0)

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Inhaltsverzeichnis

Die Entscheidung des US-Justizministeriums, Hillary Clinton und andere Personen in der E-Mail-Affäre nicht anzuklagen, beruhte nicht auf Voreingenommenheit oder unangebrachten Erwägungen. Zu diesem Schluss kommt eine ausführliche Untersuchung des Rechnungshofes des Ministeriums. Clinton soll während ihrer Zeit als US-Außenministerin Staatsgeheimnisse gefährdet haben, indem sie sie über mehrere unsichere Handys und E-Mail-Systeme übertragen hat.

Deckblatt des 568 Seiten dicken Rechnungshofberichts

(Bild: DoJ)

"Wir haben festgestellt, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf deren Einschätzung der Fakten, des Rechts und früherer Anwendung der einschlägigen Paragraphen durch das Justizministerium beruht hat", heißt es in dem 568 Seiten starken Untersuchungsbericht. FBI und Justizministerium hatten lange gegen Clinton und andere öffentlich Bedienstete ermittelt, sich dann aber Anfang Juli 2016 gegen eine Anklage entschieden.

Die nachträgliche Überprüfung hat nun keine Hinweise auf eine Sonderbehandlung der prominenten Frau gefunden. Der Rechnungshof betont, nicht neuerlich erwogen zu haben, ob Clinton angeklagt werden solle oder nicht. Vielmehr konzentriert sich die Untersuchung darauf, ob das Vorgehen gegen die damaligen Entscheidungsträger nachvollziehbar war. Das ist der im nordamerikanischen Rechtsraum übliche Maßstab zur Überprüfungen der Entscheidungen von Fachbehörden.

Nach US-Bundesrecht ist es ein Verbrechen, als geheim eingestufte Informationen nachlässig zu behandeln, wenn das vorsätzlich oder grob fahrlässig geschieht. Doch das war den damals Verdächtigten nicht nachzuweisen. "Es gab keinen Beweis, dass die Absender oder Clinton wussten, dass die E-Mails geheime Informationen enthielten", fasst der Bericht ein Ergebnis der damaligen Nachforschungen zusammen, "Die nämlichen E-Mails wurden an andere Regierungsfunktionäre geschickt, als Teil der offiziellen Aufgaben der Absender."

FBI-Ermittler gelangten zwar zu der Ansicht, dass Clinton private E-Mail-Server genutzt habe, um das Informationsfreiheitsgesetz zu umgehen, wie es auch der frühere Außenminister Colin Powell getan hat, aber nicht, um Staatsgeheimnisse preiszugeben. Überhaupt dürfte es das US-Außenministerium nicht so genau nehmen mit der Geheimhaltung. "Das Problem mit dem Außenministerium war, dass die Handhabung geheimer Information so verkorkst war, dass, wenn Sie Hillary Clinton anklagen wollten, Sie auch 150 Leute des Außenministeriums anklagen müssten", hatte einer der Staatsanwälte resümiert.

Dennoch spart der Rechnungshof nicht mit Kritik. Dem damaligen FBI-Chef James Comey wirft er sogar vor, sich die Kompetenzen der Justizministerin angemaßt zu haben. Anlass ist Comeys live übertragener Auftritt vom 5. Juli 2016 sowie eine "Off-the-Records"-Telefonkonferenz mit ausgewählten Journalisten am selben Tag. Damals resümierte Comey über die FBI-Ermittlungen in der E-Mail-Affäre und bezeichnete Hillary Clinton als "extrem leichtsinnig", sprach sich aber gegen eine Anklage aus.

Loretta Lynch im November 2016, damals scheidende Justizministerin der USA

(Bild: DoJ/Lonnie Tague)

Zwar haben sich die Staatsanwälte und die damalige Justizministerin Loretta Lynch am nächsten Tag der Empfehlung angeschlossen, keine Anklage zu erheben; doch sei es nicht Comeys Aufgabe gewesen, eigenständig an die Öffentlichkeit zu gehen, meint der Rechnungshof. Das sei dem Justizministerium überlassen. Comey wollte aber explizit verhindern, dass sich das Ministerium einmischt. So hielt er seinen öffentlichen Termin bis zum Morgen des 5. Juli geheim. Dann lud er zuerst Medienvertreter ein, bevor er das Justizministerium informierte, ohne aber den Inhalt seiner geplanten Äußerungen zu verraten.

Außerdem kritisiert der Rechnungshof Comey für seine öffentliche Kritik an Hillary Clinton. Es sei lang geübte Praxis, nicht-angeklagte Personen nicht schlechtzureden. Eine konkrete Vorschrift gebe es dazu aber nicht, gesteht der Rechnungshof ein.

Ende September fand das FBI im Zuge anderer Ermittlungen weitere Clinton-E-Mails. Ein Monat lang geschah wenig, was der Rechnungshof bemängelt. Am 27. Oktober 2016 beantragten die Ermittler schließlich einen Durchsuchungsbeschluss für die neu gefundenen E-Mails. Damit waren die Ermittlungen gegen Hillary Clinton und andere Personen wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016 wiedereröffnet.

James B. Comey bei seinem Auftritt am 5. Juli 2016.

(Bild: FBI)

Comey behielt das aber nicht für sich, sondern informierte jeweils vier Ausschussvorsitzende der beiden Kammern des US-Parlaments über die Wiederaufnahme der Ermittlungen. Diese Sensation wurde sofort publik, was nach Einschätzung von Meinungsforschern die Präsidentschaftswahl entscheidend zugunsten Donald Trumps beeinflusst hat.

Der damalige FBI-Chef rechtfertigt sein Vorgehen mit einer früheren Zeugenaussage vor einem Parlamentsausschuss. Dort hatte er ausgesagt, dass die Ermittlungen gegen Clinton eingestellt waren. Er habe diese Aussage nachträglich ergänzen wollen, da wieder ermittelt wurde. Das sei im Sinne der von ihm versprochenen "maximalen Transparenz".

Daran lässt der Rechnungshof kein gutes Haar: "Das Justizministerium und das FBI praktizieren keine 'maximale Transparenz" in strafrechtlichen Ermittlungen", heißt es in der Untersuchungsbericht. Es sei außerdem völlig normal, dass Ermittler neue Informationen zu alten Fällen erhalten und Ermittlungen wieder aufnehmen. Comey hätte seine Aussage also nicht nachträglich ergänzen müssen.

Überhaupt: "Comey hatte reichlich Vorgaben durch lang befolgte Regeln und Normen des Ministeriums und des FBI zu öffentlichen Äußerungen über laufende Ermittlungen sowie Maßnahmen, die Wahlen beeinflussen könnten". Es gelte das Schweigeprinzip.

Zudem hatte die damalige Justizministerin Lynch Comey davon abraten lassen, so kurz vor der Wahl das Parlament zu informieren. Einen konkreten Befehl erteilte Lynch aber nicht. Und direkt miteinander reden wollten damals weder Comey noch Lynch, um den Eindruck politischer Einflussnahme zu vermeiden. Dem Rechnungshof schmeckt das nicht: "Wir glauben, dass offene und ehrliche Kommunikation zwischen den führenden Personen des Ministeriums und seiner Teilorganisationen für das effektive Funktionieren des Ministeriums essenziell ist."

(ds)