5G-Spezifikation fertig: Bis zu 20 GBit/s und Latenzen unter 1 ms

Nach nur drei Jahren feiert die Mobilfunkbranche ihr erstes und wichtigstes Etappenziel. In Deutschland regt sich noch vor dem Netzaufbau neue Konkurrenz.

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5G-Spezifikation: Grundlage für geordneten Start fertiggestellt

Viele Stunden im Testlabor und wohl noch mehr Stunden am Schreibtisch: Rund 3 Jahre lang haben weltweit hunderte von Ingenieuren an der Spezifikation für den kommenden Mobilfunk der 5. Generation gearbeitet.

(Bild: Ericsson)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Mehr als 600 Abgesandte von Netzbetreibern, Zulieferern, Chip- und Smartphone-Herstellern und weiteren Mobilfunkunternehmen haben sich Mitte Mai im kalifornischen La Jolla zusammengefunden, um den letzten und wohl wichtigsten Schritt der Spezifikation für die fünfte Mobilfunkgeneration zu vollziehen: Damit ist auch der zweite und letzte große Teil der 5G-Spezifikation fertig, nämlich das Standalone Release 15 (kurz SA) – und zwar pünktlich, wie die gemeinsame Standardisierungsorganisation 3GPP unterstreicht.

Bereits im Dezember 2017 hatte die 3GPP den ersten Teil festgezurrt, mittels dem 5G-Mobilfunkerweiterungen schon mal auf Basis von 4G-Kernnetzen arbeiten können (5G NR specification for non-standalone operation, kurz NSA).

Die 3GPP reibt sich zufrieden die Hände, denn die "gesamte Industrie" holt jetzt tief Luft für den "finalen Sprint zur Kommerzialisierung" der 5G-Technik. Die SA-Spezifikation komplettiert die NSA-Spezifikation, und eröffnet Wege zu Entwicklungen, die nicht von der 4G-Technik abhängen. Kern der SA-Spezifikation ist eine neue Ende-zu-Ende-Netzwerk-Architektur (NG-Core), die besonders kurze Latenzen ermöglicht und deshalb besonders Großkunden aus dem Industriebereich interessieren dürfte. Etwas überschwänglich erwartet die 3GPP nun "neue Geschäftsmodelle" und eine "neue Ära", in der alles mit allem vernetzt ist.

Balázs Bertényi, Chairman der 3GPP-Arbeitsgruppe TSG RAN, erwartet eine dramatische Steigerung der Mobilfunkgeschwindigkeiten und Kapazitäten. Erste Netze könnten nun vielleicht sogar noch vor 2020 den öffentlichen Betrieb aufnehmen und zunächst Spitzendatenraten bis 10 GBit/s liefern, später sogar 20 GBit/s. Für viele industrielle Anwendungen ist die weiter gekürzte Latenz noch wichtiger, sie soll je nach Infrastruktur und Anwendung auf unter 1 Millisekunde sinken.

Der positive Abschluss der Spezifikationsbemühungen, an dem weltweit hunderte von Ingenieuren drei Jahre lang getüftelt haben, hatte sich allerdings schon Monate zuvor abgezeichnet. Die 3GPP hat den SA-Teil der Dokumente hier zum Download bereitgestellt. Eine Übersicht zur Arbeit am Release 15 gibt es hier.

Etliche Feldversuche gingen vor dem jetzigen Abschluss verhältnismäßig glatt über die Bühne. Zuletzt hatten Ericsson, Intel und China Mobile erfolgreiche "3GPP-konformen Interoperabilität-Tests" mit 5G-Mobilfunktechnik vermeldet. Dafür nutzten die Unternehmen das 3,5-GHz-Band – einen weltweit seit Jahren brach liegenden Bereich, den die sang- und klanglos untergegangene WiMax-Technik hinterlassen hat.

Denn so viel ist klar: Ohne eine gemeinsame Spezifikation würde der Mobilfunkbranche zwar die Grundlage für einen weltweiten Markt fehlen, aber die Spezifikation lässt sich auch nur mit zusätzlichen Frequenzbändern ausschöpfen. Im nächsten Schritt kann man also die Versteigerung von Nutzungsrechten für neue Mobilfunkbänder erwarten.

Passend dazu meldet sich bereits der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) und fordert im Vorfeld der Versteigerung in Deutschland eine "regionale Zuteilung bestimmten Frequenzspektrums" sowie eine "Diensteanbieter- und MVNO-Verpflichtung" der künftigen 5G-Frequenzinhaber (MVNO: mobile virtual network operator, Netzbetreiber ohne eigenes physisches Netz, beispielsweise 1&1 oder AldiTalk). Die Bundesnetzagentur (BNetzA) plant tatsächlich, neues Frequenzspektrum zwischen 3700 und 3800 MHz für regionale Zuteilungen zur Verfügung stellen. Deutschlandweit gibt es mehr als 170 städtische und regionale Netzbetreiber, von denen etliche Glasfasern bereits bis in die Gebäude geführt haben.

Lokale Mobilfunkfrequenzen könnten solchen Betreibern helfen, Geschäfts- und Privatkunden drahtlos zu versorgen; mit den Glasfasernetzen hätten sie eigene Endpunkte zur Anbindung der 5G-Luftschnittstelle. Sie könnten also durchaus Teil einer Basis-Infrastruktur künftiger 5G-Netze sein und den in Deutschland verbliebenen drei großen Netzbetreibern ein wenig Konkurrenz machen. Das wäre eine Marktaufteilung, die sich beispielsweise in den USA etabliert hat.

[Update]: 19.06.18, 11:20, Kurzbeschreibung MVNO eingefügt

[Update]: 20.06.18, 11:28, Link zu 3GPP-Dokumenten eingefügt, Tippfehler korrigiert (dz)