Post aus Japan: Der rollende Pinguin macht ernst

Der Kampf um das Betriebssystem des Autos tritt in die heiße Phase ein. Ein wachsendes Linux-Konsortium versucht, Google den Griff auf die Autodaten zu erschweren.

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Post aus Japan: Der rollende Pinguin macht ernst
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Von
  • Martin Kölling
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Die Zukunft vernetzter Autos wurde im Juni in Japan mitbestimmt. Wieder einmal reisten Programmierer aus aller Welt zum Automotive Linux Summit nach Tokio, um die neuesten technischen Tricks für die Autobetriebssysteme der Zukunft zu diskutieren. Und das Industriekonsortium Automotive Grade Linux, das eine Alternative zu Googles Automobilen Android-Variante entwickelt, hatte für die Teilnehmer eine ganz besondere Botschaft mitgebracht: Die Bewegung wächst.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Nach Toyota hat Daimler angekündigt, AGL einzusetzen. Der Vorstoß ist zwar noch auf die Sparte für kommerzielle Vans begrenzt – und da zudem nur auf die Vernetzung logistischer Funktionen in Prototypen. Aber immerhin ist Daimler der zweite Hersteller, der offiziell die Softwarelösung einsetzt. Außerdem ist Anfang des Jahres der Online-Händler Amazon dem von Toyota initiierten Konsortium beigetreten, um mit seiner Expertise in Spracherkennung dem Auto der Zukunft Stimme und Gehör zu geben.

Damit sind inzwischen 127 Autohersteller, Zulieferer, Internetfirmen und Softwarehäuser Mitglied. Sie hoffen, durch eine gemeinsame Entwicklung des Autobetriebssystems nicht nur Kosten und Zeit zu senken, sondern auch die Autodaten vor dem Zugriff durch die Datenkrake Google zu schützen. Doch die eigentliche Nachricht war, dass AGL nun über das Infotainment hinausgreift und immer mehr Funktionen übernehmen wird.

Nach der Integration der Unterhaltungs- und Navigationssysteme werden nun auch telematische Anwendungen, Cockpitanzeigen und Head-up-Displays unterstützt. 2018 wird sich das Konsortium auf die Sprachsteuerung von Apps (unter Amazons Führung), die Kommunikation des Fahrzeugs mit Internetdiensten sowie die Virtualisierung von Rechenprozessoren konzentrieren.

Das letzte Schlagwort bezeichnet die die Fähigkeit, unterschiedliche Anwendungen gleichzeitig und vor allen Dingen sicher von einander getrennt auf einem Chip laufen zu lassen. Aus Kosten- und Sicherheitsgründen wird diese Funktion immer wichtiger. Und inzwischen ist AGL auch so wichtig am Markt, dass einer der Marktführer dieser Virtualisierung, das amerikanische Softwarehaus Green Hills, seine Lösung auch für AGL anbietet.

Nur mit der Verwendung im Auto hapert es noch. Bisher verwendet nur Toyota AGL in der Praxis. Die Bewegung startete Ende 2017 mit der Mittelklasse-Limousine Camry in den USA. Nun folgen eine Version Hybridhits Prius und dann schrittweise bei größeren Modellwechseln der Rest von Toyotas Produktpalette.

Immerhin ist Dan Cauchy, der leitenden Manager von AGL, durch seine Gespräche mit den Mitgliedern überzeugt, dass Toyota nicht der einzige Anbieter bleiben wird. "Viele Hersteller werden folgen, denn letztlich werden nur zwei Lösungen überleben".

Googles Betriebssystem Android für Autos wird das eine Betriebssystem sein, das andere AGL. Wer siegen wird, ist noch offen. Viele Hersteller wollen sich noch festlegen. Nur eines ist sicher: Der Kampf um die Fahrdaten hatte gerade erst begonnen.

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