EU-Copyright-Reform: Auch beim Leistungsschutzrecht Vorwürfe gegen Kritiker

Kritiker sehen das freie Internet bedroht, wenn Europa Upload-Filter und ein Leistungsschutzrecht für Verlage bekommt. Nun melden sich Verleger zu Wort.

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EU-Copyright-Reform: Auch beim Leistungsschutzrecht Vorwürfe gegen Kritiker

(Bild: ReadyElements)

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  • dpa
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Im Vorfeld einer entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament zur geplanten Reform des Urheberrechts haben nun auch Vertreter der Verlage eindringlich vor dem Scheitern der Gesetzesinitiative gewarnt. Letztlich gehe es um die Frage, ob journalistische Vielfalt erhalten werden könne, sagte Valdo Lehari jr., Vizepräsident des Verbands der Europäischen Zeitungsverleger. Er erwarte am Donnerstag einen knappen Ausgang der Abstimmung in Straßburg.

Die Reform sieht neben den umstrittenen Upload-Filtern auch die Einführung eines Leistungsschutzrechts (LSR) in der EU vor, das es bislang nur in Deutschland und Spanien gibt. Danach sollen Plattformen wie Google künftig nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Kritiker sehen in den möglichen Änderungen im Urheberrecht eine Gefahr für das freie Internet und haben wohl immer mehr EU-Parlamentarier auf ihrer Seite, weswegen die erwartete Mehrheit wackelt.

EU-Copyright-Reform: Upload-Filter und Leistungsschutzrecht

In Deutschland hatte das LSR aus dem Jahr 2013 nicht zu nennenswerten Geldzahlungen von Konzernen wie Google an die Verlage geführt, weil die von der Verwertungsgesellschaft VG Media aufgerufenen Tarife nicht akzeptiert wurden. In Spanien stellte der Internetgigant sein Angebot Google News sogar komplett ein, um nicht zahlen zu müssen. Lehari gibt sich überzeugt, ein europäisches Leistungsschutzrecht werde auch die Position der Verlage in Deutschland stärken. "Markt-Monopolisten wie Google können in Europa dann nicht auf Länder ausweichen, in denen es kein Leistungsrecht gibt."

Der Verleger des "Reutlinger General-Anzeigers" betonte, dies sei nicht nur die Auffassung großer Medienunternehmen wie Axel Springer. In Europa machten sich 5300 Zeitungstitel und über 15000 Zeitschriftenverlage mit 50.000 Titeln für diese Reform stark. Dabei gehe es auch darum, auf Augenhöhe mit den Internetkonzernen verhandeln zu können. "Selbst die großen Medienkonzerne können das alleine nicht schaffen, wenn es um die Lizenzierung geht." Verlage könnten mit einem "nennenswerten Betrag" zur Stärkung der journalistischen Arbeit rechnen. "Aber es geht letztendlich auch um eine Prinzip-Frage, dass das, was kreativ geschaffen wurde, im Grunde immer geschützt werden muss."

Gegen die Einführung des Leistungsschutzrechtes und von Upload-Filtern hatte sich eine breite Allianz von Netzaktivisten, Wirtschaftsverbänden und Digitalpolitikern verschiedener Parteien stark gemacht. Das Leistungsschutzrecht habe in Deutschland seine Ziele verfehlt und "Monopolanbieter" gestärkt, "aber eben nicht zu einer angemessenen Vergütung von Kreativen geführt", schrieben die Sprecher der netzpolitischen Vereine, darunter auch die Staatssekretärin für Digitales im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, den deutschen EU-Abgeordneten. Die Kontroll- und Durchsetzungskosten überstiegen dabei den wirtschaftlichen Rahmen, eine vermehrte Nachfrage auch nach bezahlten Informationsleistungen sei ausgeblieben.

Unterstützung erhielten die Verleger von der EU-Abgeordneten Helga Trüpel (Grüne). Sie gilt als eine der wenigen aus ihrer Fraktion, die den vom Rechtsausschuss gebilligten Textentwurf unterstützen. Sie sprach von einer Kampagne gegen die Reform, bei der auch Lügen verbreitet würden. Ähnlich hatte schon der zuständige EU-Parlamentsbeauftragte Axel Voss die Kritik an dem Vorhaben abgewertet.

Anders als oft behauptet, handele es sich nämlich nicht um eine Steuer auf Links zu Zeitungstexten, die Nutzer in sozialen Netzwerken teilen, so Trüpel. Die private Verwendung von Links sei nach dem Gesetzentwurf ausdrücklich erlaubt. Im Text heißt es dazu, das Gesetz soll einzelne Nutzer nicht von der "legitimen privaten und nicht-kommerziellen Nutzung von Presseveröffentlichungen" abhalten.

Auch die Behauptung, Plattformen wie Google News bescherten den Zeitungsverlagen heute schon Klicks, Traffic und somit jede Menge Werbeumsatz, sei falsch. Eine neue Studie habe gezeigt, dass mehr als die Hälfte aller Deutschen nicht auf die Links klicke. Dies führe dazu, dass immer mehr Werbung direkt auf Google geschaltet werde und immer weniger auf den Seiten der Medien.

"Mir geht es nicht um Google-Bashing, mir geht es auch nicht darum, Innovationen zu verhindern, ich will einfach gute Marktregulierung", sagte Trüpel, die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses im Europaparlament ist. Die Befürchtung, dass die Regeln nicht funktionieren, hat sie nicht. "Google wird nicht ganz Europa auslisten, weil der Markt dafür zu groß ist."

Google wollte aktuell nicht Stellung nehmen. In der Vergangenheit hatte der Konzern erklärt, man habe "immer daran geglaubt, dass es einen besseren Weg gibt". "Innovation und Partnerschaft sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen, vielfältigen und nachhaltigen Nachrichten- und Kreativsektor in der EU." Sowohl für die europäischen Kreativen als auch für die Verbraucher sei es wichtig, die Grundsätze der Verlinkung, des Austauschs und der Kreativität zu wahren, auf denen der Erfolg des Internets beruhe.

Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der Verwertungsgesellschaft Gema, sprach dagegen von einer "massiven Desinformationskampagne der Kritiker". Bewusst irreführende Falschaussagen würden gezielt gestreut, um EU-Abgeordnete zu verunsichern und die Abstimmung im Parlament negativ zu beeinflussen. Die Debatte dürfe auch nicht auf "falsche Begriffe" wie "Upload-Filter" und "Zensurmaschinen" verdichtet werden. Ein Nein zum Bericht des Rechtsausschusses wäre ein Schlag ins Gesicht sämtlicher Kultur- und Kreativschaffender.

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