Gaming-Sucht: Wenn E-Sportler süchtig werden

Geschätzt 240.000 Zocker gelten in Deutschland als Gaming-süchtig. Eine Therapie kann helfen – doch ihre Sucht müssen die Gamer erst selbst erkennen.

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Gaming-Sucht: Wenn E-Sportler süchtig werden
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Von
  • dpa

Mit Spielen ganz viel Geld im Internet verdienen und ein Star werden – für manche junge Männer klingt diese Vorstellung verlockend. Doch nur sehr wenige schaffen es, als Profi-Gamer reich zu werden. Bei einigen seien es gerade die finanziellen Anreize, die sie süchtig nach Video- und Internetspielen machten, sagt Klaus Wölfling von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der Psychologe leitet eine von rund 15 deutschen Entzugskliniken, die Gaming-Abhängige behandeln. "In den vergangenen drei Jahren sind immer mehr gescheiterte E-Sportler zu mir gekommen", berichtet Wölfling. "Sie verdienen mit Zocken zwar kein Geld, können aber nicht aufhören zu spielen."

Wohl um die 3000 Zocker haben im vergangenen Jahr bundesweit eine Therapie gegen Gaming-Sucht besucht, schätzt Wölfling. Der Experte geht davon aus, dass in Deutschland mehr als 240.000 Gamer – um die 0,3 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren – süchtig nach den Spielen sind. Tendenz steigend. "Aber viele merken nicht, dass sie süchtig sind", sagt Wölfling. "Die Videospiele sind ihr Leben – sie suchen erst Hilfe, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr haben."

Die meisten von Wölflings Patienten sind Männer um die 30, viele sind arbeitslos. Sie sind einsam, können ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Die Patienten haben mehrere Jahre jeden Tag acht oder mehr Stunden an der Konsole oder am Computer virtuelle Monster gejagt oder Tore geschossen, auch in der Hoffnung auf eine Profi-Gamer-Karriere. Wenn sie nicht spielen können, sind sie gereizt und schlafen oft schlecht. Wegen der Spiele vernachlässigen sie Familie, Freunde, ihr Studium, ihre Arbeit und sich selbst.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht Gaming-Sucht als zunehmendes Problem. Für die WHO ist jemand süchtig, wenn die Spiele mindestens ein Jahr lang den Alltag dominieren. Wenn man also gelegentlich ganze Nächte, Wochenenden oder Semesterferien durchzockt, ist man demnach nicht süchtig.

Die meisten von Wölflings Gamingsucht-Patienten wollen lernen, ein bisschen weniger zu zocken. Der Psychologe muss sie aber enttäuschen. "Wer so süchtig ist, darf mindestens fünf Jahre oder sein ganzes Leben lang nicht mehr spielen", sagt er. "Sonst fallen sie wieder zurück." Einige Patienten kommen einmal pro Woche in seine Sprechstunde und zum Gruppengespräch. Mehr Patienten müssen einige Wochen oder Monate in der Klinik bleiben – zunächst ohne Konsolen, Computer, Handys und Internet. Dann zeigen ihnen Psychologen langsam, wie man ihre Nutzung einschränken kann.

(olb)