Jobmotor Games: Hoffnungen im Cologne Games Haus

Neben den Gamescom-Messehallen haben sich 18 Spielefirmen angesiedelt. Die Hoffnung: Über Zusammenarbeit soll Deutschland endlich zum Spiele-Produzenten werden.

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Jobmotor Games: Hoffnungen im Cologne Games Haus

N-Gon’s “Viking Rage”: Entwicklung von Virtual-Reality-Welten kann Programmierer auch für andere Bereiche der IT-Branche interessant machen.

(Bild: Cologne Games Haus / N-Gon)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Es ist Ende Juni, als sich gegenüber der Kölner Messehallen Vertreter der Stadtverwaltung, des Landes Nordrhein-Westfalen, der Industrie und Handelskammer und zahlreicher weiterer Institutionen eingefunden haben. Zwei Monate, bevor nebenan Hunderttausende auf die Spielemesse Gamescom strömen werden, eröffnet im alten Verwaltungsgebäude der Messegesellschaft das Cologne Games Haus – eine Mischung aus Bürogemeinschaft, Coworking-Space und Veranstaltungsraum.

Früher hatte die Kölner Messegesellschaft das Gebäude noch selbst genutzt. Doch seit sie ihre Geschäfte vom neugebauten Messe-Hochhaus abwickelt, standen die Büroräume für andere Zwecke frei. In zwei Stockwerken konnten sich nun dank finanzieller Förderung der Stadtverwaltung Köln Spieleentwickler Büroflächen zum Vorzugspreis anmieten.

Das Konzept kommt an: In nur drei Monaten seit der Förderzusage der Stadt haben es die Initatoren geschafft, den Büroraum komplett zu füllen: 16 Firmen mit insgesamt 80 Angestellten arbeiten nun in dem Gebäude. Das Ziel ist jedoch ein größeres: "Wir arbeiten nun daran, dass Cologne Games Haus zum zentralen Anlaufpunkt für den Games-Standort Köln zu machen", sagt Geschäftsführer Johannes Brauckmann. "Gleichzeitig wollen wir als Mittler zwischen der Gamesbranche und anderen Wirtschaftszweigen fungieren", ergänzt er.

Die Aufbruchstimmung tut Not: Denn obwohl die Stadt Köln mit der Messe Gamescom eins der weltweit zentralen Events für die Computerspiele-Branche beherbergt, ist die Bilanz für den Arbeitsmarkt bisher eher bescheiden. Zwar hat Electronic Arts seine Deutschlandzentrale im Kölner Rheinauhafen, die großen Spieleproduktionen finden jedoch woanders statt. Oder wie es Spieleforscher Professor Jörg Müller-Lietzkow in einer Studie formuliert: "Schon kurz nach der Gamescom setzt häufig eine Katerstimmung ein."

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Die Diagnose trifft nicht nur auf Köln zu. "Große Entwicklungsstudios, die mit einem zweistelligen Millionen-Budget und mehreren Hundert Mitarbeitern an großen Blockbuster-Games arbeiten, gibt es so gut wie keine", erklärt Felix Falk, Geschäftsführer des Industrieverbandes game. "Die Games-Branche in Deutschland ist stark mittelständisch geprägt: 90 Prozent der Unternehmen erwirtschaften bis zu fünf Millionen Euro Umsatz pro Jahr", sagt Falk. Auch die wenigen deutschen Firmen, die in den letzten Jahren mit Browserspielen zahlreichen Entwicklern Arbeit geben konnten, sind inzwischen wieder zusammengeschrumpft. Folge: Waren nach Zählung von game 2016 noch rund 12.839 Menschen mit der Entwicklung und dem Verlegen von Games in Deutschland beschäftigt, betrugt ihre Anzahl 2017 noch 11.140 – ein Minus von 13 Prozent.

Doch für Müller-Lietzkow ist dies kein Grund, von einer Karriere in der Branche Abstand zu nehmen: "Der Arbeitsmarkt hat sich konsolidiert, doch insgesamt ist die Lage nicht schlecht.", sagt der Wisschenschaftler. "Wer gut ist, kann einen guten Job bekommen." Und die Chance, in Deutschland zum guten Spiele-Entwickler ausgebildet zu werden, hat sich in den letzten Jahren erheblich gesteigert. So weist der Ausbildunkskompass Games inzwischen deutschlandweit über 80 Ausbildungsstätten auf, bei denen man sich für die verschiedenen Berufe im Games-Bereich schulen lassen kann. Das Spektrum reicht hierbei von Programmierern über Sound-Designer bis hin zu QA-Managern.

Viele Mitarbeiter, die nun im Cologne Games Haus anfangen, haben ihre Ausbildung in der Nähe absolviert. So hat die Technische Hochschule Köln in den vergangenen Jahren nicht nur ein eigenes Cologne Games Lab aufgebaut, sondern auch mit der Cologne Game Farm einen eigenen Inkubator geschaffen, in dem Absolventen Business-Pläne entwickeln können. Auch private Anbieter wie das SAE Institute und die School of Games sind vor Ort.

Johannes Brauckmann, Geschäftsführer des Cologne Games Haus, will in Köln eine zentrale Anlaufstelle für die Gamesbranche aufbauen.

(Bild: Torsten Kleinz / heise online)

Mangels Jobs bei großen Blockbustern müssen die Ausgebildeten ihre Nische woanders finden. So ist die Firma Flying Sheep derzeit mit zwölf Mitarbeitern die größte Firma im Cologne Game Haus. Statt mit den Branchenriesen auf dem Spielekonsolen-Markt zu konkurrieren, hat sich die Firma auf Auftragsproduktionen konzentriert und entwickelt beispielsweise für SuperRTL kleine Browser- und Mobil-Spiele. In vier Jahren ihres Bestehens hat Flying Sheep 120 solcher Spiele veröffentlicht.

Andere Teams im Cologne Games Haus müssen sich auf zwei Standbeine verlassen. So entwickeln die "Slow Bros" das Stop-Motion-Adventure Harold Halibut in Köln. Parallel dazu setzen sie die für das Spiel entwickelte 3D-Scan-Technik für Auftragsproduktionen ein. Für Kleinfirmen spielen öffentliche Förderungen eine besonders große Rolle. So konnten die Entwickler Kevin Glaap and Zein Okko für eine erste Episode ihres textbasierten Adventures "Code 7" per Kickstarter über 16.000 Euro einsammeln. Der Gewinn des mit 75.000 Euro dotierten Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie Jugendspiele im vergangenen Jahr ermöglichte die Entwicklung gleich dreier weiterer Episoden, die im August erscheinen sollen.

Sollte die Gamesbranche trotz steigender öffentlicher Förderung selbst nicht wesentlich wachsen, haben Spiele-Entwickler inzwischen immer mehr die Chance, in anderen Branchen einen Job zu finden. So arbeitet beispielsweise die Industrie- und Handelskammer Köln mit der Initiative Digital Cologne daran, ihre Mitglieder mit neuen Digitaltechniken bekannt zu machen. So besteht gerade bei der Fertigungsindustrie im Umland, Interesse daran, die eigenen Produktionsabläufe mit Techniken wie Gamification zu optimieren, Virtual-Reality-Brillen bieten das Potenzial, Fachkräften wichtige Informationen zur Fehlerdiagnose sofort verfügbar zu machen. Auch öffentliche Institutionen sind interessiert. So entwickeln Studenten des Cologne Game Labs derzeit einen virtuellen Rundgang durch die Bauhaus-Gebäude, der in Goethe-Instituten zum 100. Jubiläum der Kunstschule gezeigt werden soll.

Zuweilen sind die Anwendungen auch trivialerer Natur. So präsentierte der auf Medizinprodukte spezialisierte Hersteller Medisana aus dem benachbarten Neuss zur Eröffnung des Köln Games Hauses einen Prototypen seiner Virtual-Reality-Anwendung, die Entspannungssuchende per VR-Brille an einen Sandstrand oder auf den Platz vor dem Eiffel-Turm versetzen soll. Ziel ist es, die eigenen Massage-Polster zu vermarkten, die synchron zu den virtuell eingespielten Welten den Rücken von gestressten Büroangestellten durchkneten sollen. (jk)