Virtuelle Ampeln

Ampeln verhindern Unfälle, können aber auch den Verkehr unnötig bremsen. Forscher wollen sie jetzt durch ein System ersetzen, bei dem Fahrzeuge direkt untereinander ausmachen, wer zuerst fahren darf.

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Virtuelle Ampeln

(Bild: CMU)

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Seit ihrer Erfindung haben Fußgänger und Autofahrer ein gemischtes Verhältnis zu Ampeln. Wenn sie gut arbeiten, bieten sie ein effizientes, neutrales System für die Festlegung, wer zuerst weiterfahren oder -gehen darf. Doch wenn sie schlecht funktionieren, können sie für kilometerlange Staus sorgen.

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Mit diesem Problem haben sich jetzt Rusheng Zhang und Kollegen an der University of Pittsburgh beschäftigt: Die Forscher wollten wissen, ob sich unsere Straßen komplett von Ampeln befreien lassen, indem man sie durch ein virtuelles System ersetzt. Laut ihrer Studie hat dieses das Potenzial, die Fahrzeiten drastisch zu verringern.

Zum Hintergrund: Grundsätzlich geht es darum, den Verkehrsfluss durch eine Kreuzung zu koordinieren, bei der zwei Straßen im rechten Winkel aufeinandertreffen. Oft gibt es keine technischen Einrichtungen dafür, sodass Fahrer strikte Regeln einhalten müssen. In den USA beispielsweise gibt es Kreuzungen mit Stopp-Schilder an allen vier Seiten. Das kann so Zeitverlust und Staus führen.

Um dieses Problem zu lösen, verwenden Zhang und Kollegen direkte Funksysteme mit kurzer Reichweite, wie sie in modernen Autos zunehmend bereits verbaut sind, um Kommunikation zwischen Fahrzeugen über Koordinaten, Tempo und Richtung auszutauschen. Diese Daten werden an einen Onboard-Computer weitergegeben, der mit dem virtuellen Ampel-Protokoll des Teams programmiert ist. Wie bei fest installierten Ampeln kann es Rot oder Grün für den Fahrer ausgeben. Die Anzeige erfolgt im Cockpit.

Das Prinzip dahinter ist einfach. Wenn sich zwei Autos auf verschiedenen Straßen einer Kreuzung nähern, wird eines der beiden ausgewählt, um die Kreuzung zu kontrollieren. Dieses bekommt rotes Licht, das andere Auto mittels Grünlicht die Vorfahrt. Anschließend wird die virtuelle Ampel grün für das Führungsfahrzeug, und wenn es die Kreuzung verlassen hat, gibt es die Kontrolle an folgende Fahrzeuge ab.

Zhang und seine Kollegen testeten diesen Ansatz, indem sie auf einem Parkplatz in Pittsburgh ein Straßensystem simulierten. Anschließend fuhren zwei Autos in unterschiedlichen Richtungen durch dieses am typischen US-Straßenaufbau orientierte System, und es wurde gemessen, wie lange es dauert, seine 20 Kreuzungen zu passieren – einmal mit den virtuellen Ampeln und einmal mit Vierer-Stoppschildern.

Die Ergebnisse dieses Versuchs sind interessant. Laut Zhang und Co wurden die Fahrzeit durch das virtuelle System erheblich verringert: „Virtuelle Ampeln verringern auf Straßen mit Kreuzungen ohne Signalanlagen die Fahrzeit um mehr als 20 Prozent“, schreiben die Forscher. Weitere Verbesserungen sollen sogar bis zu 30 Prozent kürzere Fahrten möglich machen.

Trotzdem gibt es noch einige Herausforderungen. So regeln Ampeln vielerorts nicht nur den Auto-, sondern auch den Fußgänger-Verkehr. Zhang und Kollegen schlagen deshalb vor, mit Hilfe einer Smartphone-App auch Fußgänger in das System mit einzubeziehen.

Damit blieben aber noch Menschen, die keine Apps nutzen können, etwa Kinder, Senioren oder Behinderte. Diese Gruppen profitieren von normalen Ampeln am stärksten, also müssen sie auch bei Alternativen von Anfang an berücksichtigt werden.

Hinzu kommt das Problem mit älteren Autos, Motorrädern und Fahrrädern, in denen noch keine Kommunikationstechnik verbaut ist. Bei neuen Autos ist gut denkbar dass Kommunikation von Fahrzeug zu Fahrzeug rasch zum Standard wird. Trotzdem aber wird es auf den Straßen wohl noch jahrzehntelang auch ältere Modelle geben.Wie sollen die sich mit modernen Fahrzeugen abstimmen, die von virtuellen Ampeln beeinflusst werden?

Und zuletzt: Eine gitterähnliche Straßenstruktur ist in US-Städten üblich, weil viele davon erst nach der Erfindung von Autos größer wurden. In Europa und Asien aber ist das viel seltener – das Straßennetz ist hier oft unstrukturiert und chaotisch. Ob virtuelle Ampeln auch hier viel helfen könnten, ist bislang offen.

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