Zahlen, bitte! 34.000 DIN-Normen für einheitliche Standards

Mit über 34.000 Normen setzt das Deutsche Institut für Normung (DIN) Standards - im wahrsten Sinne des Wortes und in nahezu allen Lebensbereichen.

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Zahlen, bitte! 34.000 DIN-Normen für einheitliche Standards
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Inhaltsverzeichnis

Eine DIN-Norm ist ein Dokument, das Anforderungen an Verfahren, Dienstleistungen oder Produkte maßgebend beschreibt. Seit über 100 Jahren werden durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) Standards geschaffen, um beispielsweise Anschlüsse von Gerätegruppen zu vereinheitlichen.

1917, während des ersten Weltkriegs, wünschte sich die deutsche Armee eine neu strukturierte Wehrbeschaffung und Vereinheitlichungen von der Industrie. Um einheitliche Industriestandards zu gewährleisten, gründete sich dazu nach monatelangen Vorbereitungen am 22. Dezember 1917 in Berlin der "Normenausschuss der deutschen Industrie" (NADI).

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Die erste Norm, die DIN 1, die der Ausschuss am 1. März 1918 veröffentlichte, beschrieb Maße und Materialbeschaffenheit eines Kegelstiftes. Er war ein wichtiges und oft verwendetes Bauteil in der Industrie, aber vielfach mit von anderen Herstellern abweichenden Maßen produziert, um die Abnehmer zu binden. Mit der Norm wurden die Maße vereinheitlicht.

Nachdem 1920 der Ausschuss zum eingetragenen Verein wird, folgt 1926 die Namensänderung vom Normenausschuss der deutschen Industrie zum Deutschen Normausschuss (DNA), um sich nicht mehr rein auf die Industriebelange zu fokussieren.

1951 wird der Ausschuss Mitglied bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO), zehn Jahre später folgt die Mitgliedschaft im Europäischen Komitee für Normung (CEN). 1975 wird ein Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet: Das Normierungsgremium verpflichtet sich darin, Anträge der Bundesregierung auf Normen mit Priorität zu bearbeiten, und wird dafür als einziges deutsches Normungsinstitut anerkannt. Der Ausschuss erhält mit Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN) den bis heute gültigen Namen. 1990 erfolgt die Wiedervereinigung mit dem zwischenzeitlich in der DDR gegründeten Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung (ASMW).

Warum einheitliche Standards nicht nur in der Industrie wichtig sind, bewies ein verheerender Brand im Baden-Württembergischen Öschelbronn am 10. September 1933 – dabei wurden 184 Häuser komplett zerstört und 111 beschädigt. Neben örtlichem Wassermangel durch eine lange Dürre waren die unterschiedlichen und damit zueinander inkompatiblen Schlauchkupplungen der badischen und der württembergischen Feuerwehren ein Faktor für die schleppend ablaufenden Löscharbeiten.

Die Feuerwehrleute waren vor Ort – aber die Wasserversorgung konnte dadurch nicht sofort hergestellt werden. Diese Brandkatastrophe war der Anlass dafür, dass später durch konsequenter Anwendung der entsprechenden DIN-FEN-Norm Schläuche mit der sogenannten “Storz-Kupplung“ einheitlich für die Feuerwehren im damaligen deutschen Reich angeschafft wurden, um solche Inkompatibilitäten in Zukunft zu vermeiden.

Mehrere Jahre im Gebrauch, mit Eselsohren, Markern und gut abgehangen. DIN-Taschenbücher wie dieses ältere Exemplar zum Thema Steinarbeiten, fassen mehrere für den jeweiligen Bereich relevante DIN-Normen zusammen.

(Bild: heise online / Markus Will)

Eine Norm wird heutzutage in vier Schritten entwickelt:

  1. Jeder kann eine Norm beantragen. Ein der Norm entsprechender Ausschuss prüft den Bedarf danach.
  2. Ist der Bedarf gegeben, erarbeiten alle zuständigen Interessengruppen im Konsens die Details.
  3. Der Entwurf wird der Öffentlichkeit präsentiert und gegebenenfalls entsprechend des Feedbacks angepasst.
  4. Wenn diese Punkte alle abgearbeitet wurden, wird die neue Norm veröffentlicht und ist kostenpflichtig erhältlich.

Alle fünf Jahre kommt jede Norm auf den Prüfstand, sowohl im Hinblick auf den Bedarf, als auch, ob sie noch zeitgemäß ist. Dementsprechend wird sie bei Beanstandungen angepasst und neu veröffentlicht oder zurückgezogen. Zwar sind Normen in der Regel nicht rechtlich bindend und daher freiwillig (es sei denn, der Gesetzgeber bezieht sich auf eine Norm), allerdings werden sie bei Gerichtsverhandlungen vom Gericht als Stand der Technik zurate gezogen.

Durch die Verflechtungen mit den überregionalen Norminstituten werden immer mehr europäische und internationale Normen in die DIN aufgenommen. Das ist erkennbar an Zusätzen wie DIN EN oder DIN ISO. Normen mit diesen Zusätzen haben eine eigene Zählweise. Die DIN 1 (Kegelstifte) ist daher eine andere Norm als die DIN EN ISO 1 (Referenztemperatur für geometrische Produktspezifikation und -prüfung).

Ein Inhalt der DIN 476: Die Maße von DIN A0 bis DIN A8. Die Hälfte des jeweilig größeren Formats bildet dabei das kleinere Format.

(Bild: Sven, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 3.0 )

Eine der bekanntesten und einflussreichsten DIN-Normen ist die DIN 476. Darin sind die Papierstandardmaße (z. B. DIN A4) beschrieben. Dank dieser Norm passt das Papier in den Drucker, oder es lässt sich ein Brief in jeden dafür vorgesehenen Umschlag stecken. Als DIN EN ISO 216 wurde die Norm weltweit standardisiert.

Sehr bekannt ist auch die aus der DIN 1451 hervorgegangene Norm-Schriftart, gegliedert in eng, mittel und weit. Diese Schriftart entstammt ursprünglich dem Bahnbereich und ist wegen ihrer guten Lesbarkeit die Standardschrift auf deutschen Orts-, Verkehrs- und Hinweisschildern. Die älteste noch gültige Norm ist die DIN 1289 "Feuergeschränk für Kachelöfen; Fülltür für Füllfeuerung" aus dem Jahr 1928.

Bekannte Normen aus dem IT-Bereich sind z. B. DIN 2137, die die deutsche Tastaturbelegung definiert. Die DIN IEC 61076-3-107 beschreibt die Spezifikationen des USB-A-Stecker und die DIN EN 62684:2010 vereinheitlichte per EU-Richtlinie die Netzteile von Mobiltelefonen auf Micro-USB. Bis auf Apple, die für ihren Lightning-Anschluss nur einen Adapter auf Micro-USB anbieten, haben alle namhaften Smartphone-Hersteller ihren Anschluss entsprechend angepasst. Den Stecker-Wirrwar mit unzähligen proprietären Lösungen hat man damit, zumindest was das Smartphone betrifft, in die Flohmarktkiste verbannt.

Sehr wichtig ist auch die DIN ISO/IEC 27001, die ein Sicherheitsmanagement in IT-Organisationen definiert.

Mittlerweile sind über 34.000 DIN-Normen im Umlauf und mehr als 32.000 Experten halten die jeweiligen Normen auf dem neuesten Stand oder bringen Entwürfe ein. Nach eigenen Angaben wächst die Wirtschaft durch einheitliche Standards jährlich um ca. 17 Milliarden Euro.

Kritiker bemängeln, dass die Expertenausschüsse überwiegend mit Industrievertretern besetzt sind. So kritisierten Feuerwehrvertreter und Verbraucherschützer, dass die DIN 4102 einen "Brandschacht-Test" beinhalte, welcher Styropor aus Polystyrol-Schaum als "schwer entflammbar" klassifiziere, obwohl die Entstehung mehrere Fassadenbrände dieser Wertung anscheinend widersprachen.

Normen sind dennoch nicht mehr aus der industrialisierten und globalisierten Welt wegzudenken. Die neueste Herausforderung ist seit einigen Tagen in der Entwicklung: Unter dem Begriff "Identitätsmanagement und Datenschutz-Technologien" ist eine neue Norm geplant, die endlich die Datensicherheit von Anfang an als Grundaspekt in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen definieren soll. (vza)