Per Roboter vom Regal bis an die Haustür

Die Bestellungen beim chinesischen E-Commerce-Riesen JD.com werden mittlerweile fast vollautomatisch ausgeliefert.

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Per Roboter vom Regal bis an die Haustür

(Bild: JD.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Michael Radunski

Der Online-Handel in China boomt: immer mehr Bestellungen, immer mehr Waren, immer mehr Umsatz. Im vorigen Jahr wurden online in China mehr als eine Billion Dollar ausgegeben, im Vergleich zu 2016 ein Plus von 32 Prozent. Doch der Rekordmarkt ist hart umkämpft. "Die Unternehmen investieren derzeit aggressiv in Automatisierung und künstliche Intelligenz", sagt Jeffrey Towson, Experte für Online-Handel und Technologie an der Peking Universität.

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Chinas zweitgrößter Online-Händler Jingdong.com, auch bekannt als JD.com, setzt in seinem neuen Warenlager gleich beide Strategien um. Was im ersten Moment kurios klingt, offenbart einen Blick in die gar nicht so ferne Zukunft der Logistikbranche: Rund 200.000 Bestellungen täglich werden in dem Magazin nahe Shanghai abgefertigt, das sind mehr als 8000 Pakete pro Stunde. Doch der Clou ist die Belegschaft: In Jingdongs riesigem Hochregallager sind lediglich vier Arbeiter beschäftigt. Normalerweise würden selbst in einem hocheffizienten Betrieb für dieses Pensum rund 180 Mitarbeiter benötigt.

Nun wird diese Belegschaft ersetzt von unzähligen Scannern, Robotern und fahrerlosen Gefährten. Ein Greifroboter nimmt die angelieferten Waren entgegen, ein Scanner erfasst sie für den Bestand, während ein digitales Logistiksystem parallel berechnet, wo genau in den Hallen die einzelnen Produkte abgelegt werden sollen. Ein solcher Grad an Automatisierung wird auch in den Lagerhallen anderer Unternehmen wie Amazon oder Alibaba erreicht. Doch JD wagt sich nun zusätzlich an kompliziertere Vorgänge wie das passgenaue Verpacken einzelner Waren.

Ein firmeneigenes Video zeigt spezielle Maschinen, die verschiedene Waren erfassen und gemäß Größe, Gewicht und Beschaffenheit in Pakete verpacken. Die Kundenbestellungen werden dann nach Regionen sortiert in Großbehältern auf verschiedenen Ebenen gelagert. Dort werden sie von fahrerlosen Gabelstaplern abgeholt und von Tausenden kleinen Transportrobotern am Ende zum entsprechenden Lieferwagen gebracht. Menschliche Arbeiter brauche der Internethändler an diesem Standort nur noch für die Überwachung und Steuerung sowie die Wartung und Reparatur der Technik.

Werden JD.com und andere Online-Anbieter also bald schon mit einer sehr kleinen menschlichen Belegschaft auskommen? "Im Gegenteil. JD hat in den vergangenen Jahren massiv eingestellt, von 20.000 Mitarbeiter auf mehr als 150.000", sagt Uni-Experte Towson. Die Zahl der Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungszentrum in Guangdong, im chinesischen "Silicon Valley", wurde zuletzt sogar vervierfacht. Außerdem werden die Arbeitsschritte außerhalb der automatisierten Warenlager, also die Auslieferung an den Kunden, noch fast durchweg von Menschen erledigt. Noch.

Towson erwartet auch hier einen radikalen Wandel. JD.com werde die Waren künftig mit autonomen Gefährten ausliefern, sei es mittels selbstfahrenden Lieferwagen oder Drohnen. Schon jetzt testet der Onlinehändler kleine Drohnen in entlegenen Gegenden. Bis Ende des Jahres will man in zehn chinesischen Provinzen die Genehmigung für eine flächendeckende Paketzustellung via Drohnen erhalten.

(bsc)