Google plant angeblich zensierte Suchmaschine in China

Laut Medienbericht will Google eine zensierte Version seiner Suchmaschine in China anbieten. Webseiten wie Wikipedia würde sie filtern oder gleich ganz sperren.

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Google plant zensierte Suchmaschine in China
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Google will es wohl noch einmal in China versuchen, nachdem das Unternehmen 2010 seine Suchmaschine zurückgezogen hatte. Ein Grund für den damaligen Rückzug: China würde die Meinungsfreiheit einschränken. "Wir haben entschieden, dass wir nicht länger bereit sind, unsere Suchergebnisse auf Google.cn zu zensieren", schrieb Google damals.

Nun will Google offenbar doch eine zensierte Version seiner Suchmaschine in China anbieten. Das geht aus internen Papieren hervor, die ein Whistleblower The Intercept zuspielte. Demnach arbeitet Google seit einem Treffen zwischen Google-CEO Sundar Pichai und einem chinesischen Regierungsvertreter an der Spezial-Suchmaschine. Das Vorhaben soll den Projektnamen "Dragonfly" tragen, nur einige Hundert Mitarbeiter seien eingeweiht.

Geplant ist eine spezielle Android-App, die "sensible Anfragen" nicht zulässt. Zudem blockiert die App bestimmte Webseiten wie Wikipedia oder die Seiten von BBC News. Die Zensurmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Bildersuche, die Rechtsschreibkorrektur und die Suchvorschläge. Die App sei der chinesischen Regierung bereits vorgeführt worden, berichtet The Intercept. Die meisten Chinesen surfen mobil im Netz, weswegen Google zuerst an der App arbeitet und nicht an einer Desktop-Version seiner Suchmaschine.

Doch Chinas Einwohner können nicht einfach alles googeln, denn das Netz ist stark zensiert: Die sogenannte "Great Firewall" schottet das Land vor unliebsamen Informationen ab. Bestimmte Themen werden stark gefiltert, darunter Inhalte über Polizeigewalt, Meinungsfreiheit und Demokratie. Einige Themen zensiert die Regierung sogar komplett, etwa das Tian'anmen-Massaker im Juni 1989. NGOs berichten, dass die Zensurmaßnahmen unter Präsident Xi Jinping zugenommen hätten. Nicht nur das Web wird fleißig zensiert, auch soziale Medien und Chat-Apps. Orwells "1984" existiert im Netzwerk Weibo einfach nicht.

Sollte Google in China tatsächlich eine zensierte Version seiner Suchmaschine anbieten, wäre das "ein großes Desaster" und ein "schrecklicher Präzedenzfall", meint Patrick Poon, Forscher bei Amnesty International. The Intercept erzählte er außerdem, dass es ein Sieg für die chinesische Regierung wäre, wenn die größte Suchmaschine der Welt der Zensur des Landes gehorche. Poon befürchtet, dass sich dann niemand mehr die Mühe machen würde, die strikten Zensurmaßnahmen in China zu bekämpfen.

Google wollte die Spekulationen zu seinen Plänen nicht kommentieren. Ein Sprecher wies lediglich darauf hin, dass Google in China bereits einige seiner Mobil-Apps anbietet. Bevor Google auch eine Such-App in China anbieten dürfte, muss die Regierung diese zunächst genehmigen. Zudem müsse sich Google sicher sein, dass sein Angebot besser wäre als die des Hauptkonkurrenten Baidu, verriet ein Insider.

Zwischen 2006 und 2010 hatte Google bereits eine zensierte Version seiner Suchmaschine in China angeboten, sie nach Kritik aus den USA aber wieder zurückgezogen. In den vergangenen Monaten hat Google einiges getan, um auf dem chinesischen Markt wieder Fuß zu fassen; beispielsweise eröffnete das Unternehmen ein KI-Forschungszentrum in Peking.

Mit 750 Millionen Internet-Nutzern ist China ein reizvoller Markt für Google. Doch wann und ob das Unternehmen dort seine Suchmaschine wieder anbietet, bleibt unklar. Laut The Intercept sollen sich die App-Entwickler aber kurzfristig bereit halten. Googles Suchmaschinen-Chef Ben Gomes soll den Mitarbeitern gesagt haben, sie müssen vorbereitet sein, falls "sich die Welt plötzlich ändert oder Donald Trump entscheidet, dass sein neuer bester Freund Xi Jinping heißt". (dbe)