Virtueller Ziegenzaun

In Skandinavien gibt es nicht mehr genügend Bauern zur Landschaftspflege – selbst Welterbefjorde wachsen zu. Hornträger mit GPS-Empfängern sollen den Job übernehmen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Virtueller Ziegenzaun

(Bild: Nofence AS)

Lesezeit: 3 Min.

Geiranger in Westnorwegen wirkt auf Touristen wie gemalt. Tief eingeschnittene Fjorde, überragt von schneebesetzten Gipfeln, schroff ins Meer sausende Wasserfälle und von nahezu jeder Stelle aus Selfie-würdig. Allein, der kleine Ort mit seinen 250 festen Einwohnern, der mitten im Weltnaturerbe liegt, hat ein Problem: Er droht Jahr für Jahr, zuzuwachsen.

Mehr Infos

Felder, Wiesen und Baumbestände werden immer weniger bewirtschaftet, weil sich die Arbeit der Bauern in diesem Gebiet nicht – oder nicht wirklich – lohnt. Der Bürgermeister der Gemeinde Stranda, zu der Geiranger zählt, fürchtet schon, dass die UNESCO dem Dorf seinen schwer erkämpften Status entziehen könnte, weil die wunderschöne Aussicht nicht mehr wie einst gegeben ist.

Vielleicht helfen paarhufige Hornträger ja weiter – kontrolliert mit digitaler Technik. Das verspricht zumindest das Unternehmen Nofence AS aus Batnfjordsøra, das ein paar Fjorde weiter liegt. Das Start-up rund um Unternehmer Erik Harstad hat ein System entwickelt, mit dem man Ziegen und andere grasende Tiere quasi fernsteuern kann – mit Hilfe eines Halsbandes mit GPS-Sensorik. Die Idee sammelte auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo bereits fast 200.000 Euro ein und ist auch für schroffe, nicht eingezäunte Gegenden wie die um Geiranger hervorragend geeignet, wie die Firma sagt. Die Tiere sind an die Umwelt ideal angepasst und fressen fast alles, was hier weg soll.

Das Nofence-System besteht aus einer kleinen Box, in dem ein solarbetriebener GPS-Sensor samt Mobilfunkchip steckt. Dieser überwacht, wo sich das Tier gerade befindet. Mittels Geofencing wird zuvor ein Bereich definiert, den es (und der Rest der Herde) nicht verlassen darf. Begibt sich eine Ziege auf Abwege, bekommt sie ganz automatisch einen leichten elektrischen Schock von der Box. Dieser ist nicht gesundheitsschädlich und ähnelt jenen, die die Tiere von Elektrozäunen gewöhnt sind. Die Tiere verstehen laut Aussagen von Nofence schnell, dass sie umkehren müssen und bleiben brav im virtuell umzäunten Gebiet.

Für den Ziegenbesitzer ist das System zudem praktisch: Er muss die Tiere nur in das von ihm zu beweidende Gebiet bringen und kann die Herde dann bequem über eine Smartphone-App kontrollieren. Ist die Weidefläche groß genug und droht keine Gefahr durch Raubtiere, können die Ziegen über viele Wochen alleine ihrer Fressarbeit nachgehen.

Ganz billig ist der Nofence-Spaß derzeit allerdings noch nicht: Im Rahmen des Crowdfunding-Projekts wurden knapp 1250 Euro für ein Viererpack fällig. Künftig soll es 1550 Euro kosten. Wer eine große Herde hat, muss also schon einiges an Geld in die Hand nehmen.

Vielleicht ergibt sich aus dem Problem in Geiranger – das es auch in anderen Fjordgemeinden gibt – auch noch ein anderes Geschäftsmodell: Das Vermieten von Ziegen. Selbst für große Grundstücke von Zivilisten eignen sich die Tiere. In Norwegen gibt es bereits Bauern, die diese Idee für sich entdeckt haben.

(bsc)