Licht funkt

Daten aus der Deckenleuchte: Seit dem Siegeszug der LED-Beleuchtung arbeiten Forscher daran, Licht als Alternative zum WLAN einzusetzen.

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Licht funkt
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Müller

Wer im Hegel-Gymnasium in Stuttgart das Licht abschirmt, hat auch kein Internet mehr. Going dark, der Begriff der Cyber-Untergrundbewegung für die Flucht aus allen digitalen Kanälen, bekommt hier unversehens eine sehr physikalische Dimension. Denn in einem Klassenraum hat das Berliner Heinrich-Hertz-Institut Geräte installiert, die Daten nicht über WLAN zu den Rechnern der Schüler schicken, sondern über Licht. Li-Fi statt Wi-Fi, Light Fidelity statt Wireless Fidelity.

Denn ein WLAN-Zugangspunkt geht schnell in die Knie, wenn 30 Schüler in einem Klassenraum gleichzeitig Videos streamen. Licht hingegen kann mehr Daten transportieren. Bei Li-Fi teilen sich lediglich drei bis vier Schüler 200 Megabit pro Sekunde. Beschwerden über Verbindungsunterbrechungen gebe es bisher nicht, sagt Projektleiter Volker Jungnickel vom Heinrich-Hertz-Institut, der seit Jahren an dieser Form der Datenübertragung forscht.

Künftig, so hofft er, könnte jede Birne zum Router werden. Es wäre die Renaissance einer alten Technik, nur viel mächtiger, als es sich die Ingenieure damals vorstellen konnten. Schon lange funken etwa Fernbedienungen mit Licht im infraroten Bereich, unsichtbar für das Auge. In den 1990ern folgten Handys und Laptops. Doch als Bluetooth und WLAN aufkamen, ging das Licht aus. Zu langsam war die Datenübertragung, zudem musste man die Geräte aufeinander ausrichten und konnte nicht durch Wände und Türen dringen.

Jungnickel glaubt trotzdem: „Li-Fi wird sich durchsetzen.“ Mehrere Umstände nähren die Hoffnung. Zum einen stößt WLAN an seine Grenzen. Die Nutzerzahlen steigen, es wird immer schwieriger, sich in einem voll besetzten Saal oder am Flughafen in ein WLAN einzuloggen. Generell kann man dieses Nadelöhr umgehen, indem man mehr Sender installiert. Dann aber wird zum Problem, was eigentlich die Stärke von Funkwellen ist: Weil sie sich nahezu ungehindert ausbreiten, kommen sie sich ins Gehege. Licht hingegen lässt sich zielgerichtet einsetzen. Auch in großen Räumen sind so auf einfache Weise gut begrenzte Zugangspunkte möglich. Der Lichtkegel wird zum Datenkegel. Nur wenige Personen müssen sich die verfügbare Bandbreite teilen.

Der zweite Grund für die Renaissance sind LEDs. Dank ihrer Halbleitertechnik lassen sie sich, im Gegensatz zu trägen Glühbirnen, extrem schnell ein- und ausschalten, so können sie bis zu einem Gigabit pro Sekunde übermitteln – ein Tempo, das selbst die schnellsten WLANs nicht schaffen. Das Auge nimmt davon nichts wahr. Je größer das Farbenspektrum ist, desto höher liegt die Datenrate. Am besten sind demnach LED-Leuchten mit getrennten LEDs für die Farben Rot, Grün, Blau und manchmal auch Gelb.

Eine leistungsstarke LED für Li-Fi kostet weniger als einen Euro, einfache Fotodioden dienen als Empfänger. Etwas Elektronik dazu und fertig ist der Zugangspunkt – zu Kosten, die mit einem WLAN-Router vergleichbar sind. Im Prinzip kann jede LED-Birne im Haushalt zu einem Zugangspunkt ausgebaut werden. Sonnenlicht oder andere künstliche Lichtquellen stören die Datenübertragung nicht, weil dieses Licht statisch ist und sich einfach herausrechnen lässt. Damit ein Rechner die Signale versteht, haben erste Start-ups wie pureLiFi und VLNcomm bereits Prototypen in der Größe eines USB-Sticks entwickelt. Irgendwann, hofft Jungnickel, werden sie fester Bestandteil der Hardware wie heute Bluetooth.

Wo Licht ist, ist allerdings auch Schatten. Hält man die Hand vor die Linse des Empfängers, unterbricht die Verbindung sofort. Der Nachteil kann aber auch zum Vorteil werden: Weder lassen sich die Signale durch Empfänger außerhalb des Gebäudes abhören, noch lassen sie sich durch Sender stören. Das hat Li-Fi die Aufmerksamkeit von Institutionen gebracht, die mit sensiblen Daten umgehen.

(rot)