Smartphone am Feierabend: Dauererreichbarkeit schadet der Konzentration

Wer abends auf dem Handy dienstliche E-Mails liest, kann sich am Tag darauf nicht gut konzentrieren. Auch Schlaf spielt eine wichtige Rolle, zeigt eine Studie.

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Smartphone am Feierabend: Dauererreichbarkeit schadet der Konzentration

(Bild: Pixabay)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Wer nach dem Arbeitstag zu Hause ist, hat das Büro nicht unbedingt hinter sich gelassen: Mal eben schnell den Kalender für nächste Woche checken, eine eilige Kundenanfrage beantworten oder einen wichtigen Gedanken auf die To-Do-List setzen – mit einem dienstlich genutzten Smartphone ist das auf dem heimischen Sofa genau so möglich wie am Dienst-PC.

Doch die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit hat Folgen, die seit Jahren immer gründlicher untersucht werden. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) stellt fest: Wer abends viel Zeit mit seinem mobilen Bürofortsatz verbringt, ist am nächsten Tag im Büro selbst nicht mehr so arbeitsbereit wie nach einer erholsamen Atempause.

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Hierzu untersuchten die Autoren den Tagesablauf von 63 Testpersonen, die auch vom Smartphone Zugriff auf ihre Arbeits-Ressourcen wie dienstliche E-Mails haben. Die Teilnehmer mussten dabei nicht nur ihre individuelle Arbeitsbelastung festhalten, sondern verzeichneten auch, wie viel und wie gut sie geschlafen haben. Die Ergebnisse sind eindeutig: Der ständige Rollenwechsel zwischen Arbeit und Privatleben strengt die Arbeitnehmer stark an und hat unmittelbare Folgen für die Konzentrationsfähigkeit am folgenden Tag.

In der Studie gehen die Autoren davon aus, dass die Arbeitnehmer nur einen begrenzten Vorrat an Selbstdisziplin und Aufmerksamkeit haben, um die vielfältigen Anforderungen im heutigen Büroalltag zu meistern. Hier geht es dem Menschen wie seinem Smartphone: Ist die Batterie fast leer, kann man nicht mehr mit voller Kraft weiterarbeiten. Ein gesunder Schlaf funktioniert hier wie ein Aufladezyklus: Wer gut und lange genug schlafen kann, hatte gemäß der Studie am nächsten Morgen keine zusätzlichen Probleme am Arbeitsplatz.

Gleichwohl plädiert die Co-Autorin Lilian Gombert nicht für radikale Begrenzungen am Arbeitsplatz. „Wenn ein Projekt fertig werden muss, lässt es sich nicht immer vermeiden, auch nach Feierabend noch E-Mails zu beantworten", erklärt die Arbeitspsychologin. „Dann sollte man aber darauf achten, gut und ausreichend lang zu schlafen.“ Hier hilft es auch, wenn die Mitarbeiter ein Schlafregime einhalten. So wird generell davon abgeraten, die Arbeits-E-Mails noch ins Bett zu nehmen.

Dass übermäßiger Smartphone-Gebrauch mitunter negative Folgen haben kann, hat sich mittlerweile auch schon zu den Herstellern herumgesprochen, die neue Funktionen für die "Digital Wellness" einführen wollen. Bereits 2012 warnte die Krankenkasse AOK vor den steigenden psychischen Erkrankungen, die unter anderem durch den Stress der ständigen Erreichbarkeit mit verursacht werden. Der Gesundheitsreport 2017 der DAK sieht insbesondere Schlafstörungen als Folge der Entgrenzung zwischen Arbeit und Erholungspausen. Ein Teufelskreis: Wer schlecht schläft, kann ist auch weniger den Herausforderungen des nächsten Arbeitstages gewachsen, was wiederum für mehr Stress sorgt.

Zwar muss sich die Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland während ihres Feierabends nicht um Arbeits-E-Mails kümmern. Laut einer Studie im Rahmen des Projekts "Management ständiger Erreichbarkeit" wird von Beschäftigten im Bereich Datenverarbeitung überdurchschnittlich häufig erwartet, dass sie auch nach Dienstschluss auf den neusten Stand bringen. Mehr noch: Von ihnen wird auch öfter erwartet, dass sie die Probleme direkt lösen, wenn beispielsweise ein Server außerhalb der Arbeitszeit nicht mehr erreichbar ist.

Dies stellt auch die Arbeitgeber vor Probleme. Denn sie haben die abendliche Nutzung der Smartphones der Arbeitnehmer im Gegensatz zur Präsenz am Arbeitsplatz nicht unter Kontrolle. Die Überbelastung wird daher nicht gesehen. Mitunter sorgen auch die Vorgesetzten für schlechte Arbeitsbedingungen oder gehen mit schlechtem Beispiel voran. Die negativen Folgen bemerken viele erst, wenn es zu spät ist und zum Beispiel der Krankenstand in die Höhe schnellt. Einige Konzerne haben deshalb strenge Regeln zur Erreichbarkeit erlassen und teilweise sogar den Versand von E-Mails nach Feierabend unterbunden.

Wo solch rigide Vorgaben nicht praktikabel sind – beispielsweise, weil die Firma international aufgestellt ist – raten Experten dazu sich mit dem Problem zu beschäftigen und betriebsweit oder gegebenenfalls teambezogen zu vereinbaren, wie wie man die Abendarbeit sinnvoll einschränken und gegebenenfalls durch zusätzliche Pausen ausgleichen kann. Unternehmen sollten sich auch Gedanken machen, wie sie ihren Mitarbeiter unterstützen können, wichtige von unwichtigen Nachrichten zu trennen und auch kommunizieren, wie schnell generell auf E-Mails reagiert werden soll. Entscheidend ist auch: Mehrere Mitarbeiter sollten mit den wichtigen Systemen umgehen können, so dass nicht immer der selbe Mitarbeiter unbedingt verfügbar sein muss, wenn etwas nicht stimmt

Um die Arbeitsorganisation auf neue Füße zu stellen, unterstützen Bundesregierung und Europäische Union das interdisziplinäre Projekt Sandra, das ein effektives "Erreichbarkeitsmanagement" ermöglichen soll. Hierzu sammeln und entwickeln die beteiligten Wissenschaftler Beispiele, wie die Arbeit so organisiert werden kann, dass Mitarbeiter ausreichend Pausen von der Dauer-Kommunikation gegeben werden. Teil des Projekts ist eine Software, die automatisiert E-Mails zurückstellen kann und ideale Zeiten für Telefongespräche ermitteln soll. Die Ergebnisse sollen bis 2020 vorgestellt werden. (vbr)