Schweiz: RapidShare-Gründer droht halbe Million Euro Geldstrafe

In der Schweiz läuft ein Verfahren gegen den Gründer des Webhosters RapidShare und zwei seiner Mitstreiter, ein Urteil könnte nächste Woche fallen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 77 Kommentare lesen
Rapidshare

Der Firmensitz des ehemaligen Online-Speicherdiensts im Schweizer Kanton Zug.

(Bild: dpa, Rapidshare)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der deutsche Gründer des ehemaligen One-Click-Hosters RapidShare muss sich gegenwärtig vor dem Strafgericht Zug in der Schweiz wegen gewerbsmäßiger Beihilfe zu massiven Urheberrechtsverstößen verantworten. Angeklagt sind neben Christian S. auch seine Ehefrau sowie ein ehemaliger Firmenjurist, die beide in leitenden Funktionen bei Rapidshare tätig waren. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, über das Unternehmen "einem unbeschränkten Kundenkreis File-Hosting-Dienste zur Verfügung gestellt haben". Kunden hätten diese Dienste genutzt, um in großer Zahl geschützte Werke hochzuladen und den dazugehörigen Link unrechtmäßig in Linksammlungen, Blogs und Foren publiziert zu haben.

Die Beschuldigten seien ihrer Pflicht, sich darum zu kümmern, dass das schweizerische Urheberrechtsgesetz eingehalten werde, nicht hinreichend nachgekommen, zitiert der IT-Fachanwalt Martin Steiger aus der Anklageschrift. Im Wissen um diese Problematik seien sie für Rechtsverletzungen ihrer Kunden "im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2012" strafrechtlich persönlich verantwortlich. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte generelle Geldstrafe für den Hauptangeklagten soll laut Berichten von Lokalzeitungen 192 Tagessätze zu 3000 Franken betragen, insgesamt umgerechnet knapp 512.000 Euro. Die Zahlung soll aber auf Bewährung ausgesetzt werden. Zusätzlich sei eine Geldbuße in Höhe von 144.000 Franken beantragt worden.

Christian S. hatte die RapidShare AG 2006 in Cham in der Schweiz gegründet, nachdem der Dienst zunächst schon rund zwei Jahre unter einer deutschen Webadresse gelaufen war. im Februar 2010 bezeichnete sich RapidShare mit über 160 Millionen hochgeladenen Dateien und 42 Millionen täglichen Nutzern als weltweit größter Sharehoster. Die Firma finanzierte sich vor allem durch Premium-Zugänge, über die Nutzer ohne Wartezeiten sowie ohne Limits bei Geschwindigkeit und Datengrößen beispielsweise Videos oder Songs hoch- oder runterladen konnten.

Im Herbst 2010 kam das Unternehmen mit rund 60 Mitarbeitern auf einen Umsatz von fünf Millionen Euro im Monat. Schon 2008 soll S. dank des zeitweiligen kommerziellen Erfolgs des Anbieters über 17 Millionen Franken Einkommen im Kanton Zürich versteuert haben. Bereits ein Jahr später sei die Zahl aber auf 3,74 Millionen Franken bei einem persönlichen Vermögen von 6,67 Millionen gesunken. Die Bruttodividende der Firma soll laut Anklageschrift allein im Jahr 2009 47 Millionen Franken betragen haben.

Bereits kurz nach der Gründung sah sich RapidShare aber immer wieder mit Klagen von Seiten von Rechteinhabern konfrontiert. Über Jahre hinweg zog sich etwa ein Rechtsstreit mit der Musikverwertungsgesellschaft GEMA. Das Oberlandesgericht Köln entschied 2007, dass Sharehoster gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstoßen, wenn sie lediglich einzelne, illegale Musikdateien aus ihrem Dienst entfernen. Die Anbieter müssten kontrollieren, ob die Musikwerke als solche über ihre Plattformen angeboten werden und entsprechende Filtersoftware einsetzen, um künftige Rechtsverstöße zu verhindern.

2010 musste sich RapidShare mit Klagen der Verlage Campus und De Gruyter auseinandersetzen, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützte. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob das Unternehmen erst rechtswidrig hochgeladene Dateien löschen muss, nachdem es einen konkreten Hinweis darauf erhalten hat. Der Bundesgerichtshof begründete 2013 schließlich erweiterte Prüfpflichten für Sharehoster. Mürbe gemacht durch die Prozesse und das Aus für die Plattform Megaupload durch die US-Behörden versuchte die AG noch, ihr Geschäftsmodell neu auszurichten. Wenig später musste trotzdem einen Großteil der Mitarbeiter entlassen werden, im ersten Quartal 2015 stellte RapidShare seinen Dienst ein.

Noch ist die Gesellschaft aber im Handelsregister im Kanton Zug eingetragen, sodass das Strafverfahren dort nun seinen Gang nimmt. Am ersten Verhandlungstag am 12. September habe der Hauptangeklagte anfangs keine Aussagen machen wollen, schreibt der Schweizer Bote. Die Richterin habe sich vor allem für die Funktionsweise des eingesetzten Filters interessiert, mit dem das Unternehmen Löschersuchen nachkam. Nach einigen Nachfragen an den mitangeklagten Ex-Justiziar habe der Programmierer dann aber doch sein Schweigen gebrochen und beteuert, dass die Maßnahmen nicht so einfach hätten ausgetrickst werden können. Die Software habe nicht nur Namen von Dateien herangezogen, sondern weitere Parameter. Die Files hätten insgesamt abgeändert werden müssen, um erneut hochgeladen werden zu können.

Die Staatsanwaltschaft warf den Beschuldigten vor Gericht demnach vor, mit dem Dienst "Internetpiraten Tür und Tor geöffnet zu haben". Die Mittel, die sie gegen Urheberrechtsverletzungen ergriffen hätten, seien mit dem Einsatz kleiner Löffel bei einem Rohrbruch vergleichbar gewesen. Wirtschaftlichkeit sei bei der Firma über das Urheberrecht gegangen. Proaktive Fahndungen nach widerrechtlichen Dateien hätten sich trotz einer 14-köpfigen Rechtsabteilung auf die nach der berühmt-berüchtigten Suche nach der Nadel im Heuhaufen beschränkt. Ein Vertreter der wissenschaftlichen Verlage, die in dem Fall als Nebenkläger auftreten, habe sich ähnlich geäußert: RapidShare sei "Liebling der Piraterieszene" gewesen.

Die Verteidigung dürfte nach Ansicht von Steiger vor allem darauf abstellen, die Tatbestandsmerkmale der Gehilfenschaft als unbegründet darzustellen. Laut Staatsanwaltschaft waren alle drei Angeklagten in Positionen, in denen sie mehr Rechtsverstöße hätten verhindern können. Auch für die zwei Mitbeschuldigten fordert sie Geldstrafen und zusätzliche Bußen. Der vierte Verhandlungstag ist für den 25. September vorgesehen, ein Urteil könnte im Anschluss direkt ergehen. (vbr)