5G-Frequenzen: Das Tauziehen um die Vergabe hat begonnen

Die Regulierungsbehörde hat nun auch offiziell dargelegt, wie sie sich die Vergabe der 5G-Frequenzen vorstellt. Damit ist fast niemand glücklich.

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Betonturm mit vielen Mobilfunk-Antennen und Richtfunk-Antennen

(Bild: heise online/Sokolov)

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Nachdem die Bundesnetzagentur am Mittwoch ihren Entwurf für die Vergabebedingungen der 5G-Frequenzen offiziell vorgelegt hat, ist in der kommenden Woche der Beirat am Zug. Danach läuft das Konsultationsverfahren an, indem Beteiligte und interessierte Parteien zum Entwurf Stellung nehmen können. Während in den Rechtsabteilungen der Netzbetreiber sich Juristen durch das Papier kämpfen, nimmt auch die öffentliche Debatte wieder Fahrt auf.

Die Netzbetreiber warnen vor zu strengen Auflagen und hohen Kosten für die Lizenzen. Und sie fürchten, dass die Bundesnetzagentur den Aufbau eines weiteren Netzbetreibers oder neuer Diensteanbieter begünstigen könnte, wie es zuletzt das Bundeskartellamt gefordert hatte. An neuer, womöglich staatlich geförderter Konkurrenz haben die etablierten Mobilfunker kein Interesse. Lieber verweisen sie auf die hohen Investitionen, die bei 5G anstehen.

Verpflichten will die Behörde die künftigen Besitzer der 5G-Lizenzen zu Ausbauzielen: Bis 2020 sollen 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 MBit/s versorgt werden. Das allerdings geht heutzutage auch schon mit LTE. Dazu kommt die Verpflichtung zum Ausbau entlang der Autobahnen und Bahnstrecken sowie zur Schließung von weißen Flecken auf der Netzkarte. Mit den Auflagen gehe die Bundesnetzagentur schon “an die Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren und rechtlich Möglichen”, erklärt Chefregulierer Jochen Homann.

“Wir verpflichten jeden Anbieter bis Ende 2022 mindestens 500 Stationen zusätzlich zu den Auflagen für Straßen und Haushalte für 5G aufzubauen”, erläutert Homann die Auflagen hinsichtlich des 5G-Ausbaus. Gemessen an der Größe der Netze ist das allerdings wenig: Alleine die Telekom betreibt heutzutage über 27.000 Mobilfunkstationen. Vodafone zählt über 25.000 Standorte, auch bei O2 sollen es nach Abschluss der Netzintegration so viele sein.

Dabei ist das Horror-Szenario für die drei Netzbetreiber nicht eingetreten: weder sollen die Netzbetreiber zum nationalen Roaming verpflichtet werden, noch dazu, andere Diensteanbieter (MVNO) auf ihr Netz zu lassen. Dafür hatten sich bereits die Monopolkommission und das Bundeskartellamt ausgesprochen. “Es ist rechtlich nicht möglich, die Unternehmen zu verpflichten, Dritte aufs Netz zu lassen und die Preise zu diktieren”, erklärt Homann. Auch eine Diensteanbieterverpflichtung scheitere am rechtlich Zulässigen. “Wir sagen daher sehr deutlich: Die Unternehmen müssen verhandeln.”

Die rechtlichen Hürden sind klar: Voraussetzung für eine staatliche Regulierung ist eine Marktanalyse, mit der überprüft wird, ob Wettbewerb besteht oder ein Anbieter “über beträchtliche Marktmacht” verfügt. Im Festnetz gilt das zum Beispiel für die Teilnehmeranschlussleitungen der Telefonkunden, die fast alle der Telekom als ehemaligem Staatsunternehmen gehören. Hier sorgt die Regulierung dafür, dass andere Anbieter diese Leitungen mieten können. Nun kann man beklagen, dass im Mobilfunk zu wenig Wettbewerb herrscht, einen so dominanten Player wie die Telekom im Anschlussbereich gibt es nicht.

Der politische Beirat der Regulierungsbehörde sieht dennoch “Handlungsbedarf, den Wettbewerb auf der Dienste-Ebene zu erhalten und zu fördern” – und hatte nationales Roaming und die Diensteanbieter ins Spiel gebracht. Doch statt der von den Netzbetreibern gefürchteten Diensteanbieterverpflichtung ist im Entwurf der Bundesnetzagentur nun von einer “Diensteanbieterregelung” die Rede: Netzbetreiber müssen mit Diensteanbietern “diskriminierungsfrei” über Netzkapazität verhandeln. Im Streitfall sieht sich die Bundesnetzagentur in der “Schiedsrichterrolle”.

Das gilt nach Ansicht der Behörde auch für das nationale Roaming, das “zur besseren Flächenversorgung beitragen” könne. Die Bundesnetzagentur sieht hier ebenfalls ein “Verhandlungsgebot bzw. Diskriminierungsverbot” für die Netzbetreiber. Nationales Roaming sei “insbesondere für Neueinsteiger” zu begrüßen. Für einen vierten Netzbetreiber, der sein Netz erst aufbauen müsste, überlegt die Bundesnetzagentur, die Ausbauauflagen abzumildern.

Damit setzt sich die Bundesnetzagentur zwischen alle Stühle. Bei den Netzbetreibern ist die Ablehnung einhellig. Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, kritisiert die verschärften Bedingungen und eine “Diensteanbieterverpflichtung per Schiedsweg”. Auch Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner hatte davor gewarnt, eine “Regulierung durch die Hintertür” einzuführen. "Das Papier braucht eine Reparatur", meint Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter.

Druck bekommt die Bundesnetzagentur auch aus der Politik. Unions-Abgeordnete im Beirat der Regulierungsbehörde haben sich in einem Brandbrief an Homann gewandt. Die Auflagen für die 5G-Lizenzen seien zu lasch, die Unternehmen würden mit Samthandschuhen angefasst. Damit seien die ambitionierten Ziele, zu einem bei 5G führenden Wirtschaftsstandort zu werden, nicht zu erreichen. Selbstfahrende Autos und vergleichbare Anwendungen blieben damit ein Wunschtraum.

Für reine Diensteanbieter, die Zugang zu den neuen Netzen fordern, gehen die Vorschläge der Bundesnetzagentur nicht weit genug. Der Konsultationsentwurf enthalte zwar “viele richtige Gedanken”, sei aber “nicht zu Ende gedacht”, kritisiert Freenet-CEO Christoph Vilanek und fordert “klare Verpflichtungen und effektiven Rechtsschutz”. Die Regulierungsbehörde müsse kurzfristig den Wettbewerb sicherstellen können. “Es geht um die Zukunft einer der führenden Industrienationen und da kann es nicht sein, dass ein Netzbetreiber Fortschritt und Wettbewerb in der Hoffnung lahmlegt, dass alternative Anbieter durch Blockade eingeschüchtert werden.”

Auch der Netzbetreiberverband Breko sieht noch Nachbesserungsbedarf. “Von einer Diensteanbieter- und MVNO-Verpflichtung werden Bürger und Unternehmen in Hinblick auf Auswahl, Preise, Qualität und innovative Produkte profitieren“, sagt Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. “Die Zulassung netzunabhängiger Diensteanbieter und MVNO erhöht auch die Wettbewerbsfähigkeit der alternativen Festnetzbetreiber, indem sie noch attraktivere Bündelprodukte aus Glasfaseranschluss und Mobilfunk anbieten und so weitere Mittel für einen beschleunigten Glasfaserausbau erzielen können.”

Nur einer freut sich: Ralph Dommermuth, Chef von United Internet. “Der diskriminierungsfreie Zugang zu den Netzen und die damit verbundene Verhandlungspflicht der bestehenden Netzbetreiber zum National Roaming ist die wesentliche Startvoraussetzung für Neueinsteiger”, sagt Dommermuth. United Internet vermarktet selbst auch Mobilfunktarife, darüber hinaus gehört der MVNO Drillisch zum Konzern. Dommermuth hatte schon öffentlich mit dem Gedanken gespielt, um die 5G-Frequenzen mitzubieten, sah sich aber von den Bedingungen benachteiligt.

Nach Abschluss des Konsultationsverfahren plant die Bundesnetzagentur, im November die endgültige Entscheidung zu treffen. Die Auktion ist dann im ersten Quartal 2019 in Mainz geplant. (vbr)