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Was war. Was wird. Von Vertrauensverlusten und Postengewinnen

Maaßen soll befördert werden, Hal Faber sieht schwarz. Ein Umbau des Verfassungsschutz mitsamt Herabstufung von Maßen ist die korrekte Lösung.

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Was war. Was wird. Von Vertrauensverlusten und Postengewinnen

(Bild: Gerd Altmann)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Herzlichen Glückwunsch zur verdienten Beförderung (von Gehaltsstufe B9 auf B11 - yeah!) an den Chef. So ist das, wenn man gute Arbeit macht. #Maaßen - Verfaschungsschutz - Wir verfolgen nicht. Wir beobachten nur. Weil es echt schwer ist, eine Parodie zu sein bei DEM Vorbild.

(Bild: Twitter )

*** Hans-Georg Maaßen ist, wie in der letzten Wochenschau angekündigt, nicht mehr Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das darf man getrost als Hellseherei bezeichnen. Hans-Georg Maaßen ist von Bundesinnenminister Horst Seehofer, der letztens Politik als "Dienstleistung" definierte, zum Staatssekretär im Innenministerium befördert worden, zuständig für innere Sicherheit und Cybersicherheit. Da darf man getrost schwarzsehen. Denn ein Mann wie Maaßen wird die innere Sicherheit mit der "Ausländerfrage" verknüpfen, ganz im Sinne der AfD. Überdies wird er ganz im Sinne der Rechtstatsachen­sammel- und -aus­werte­stelle (RETASAST) des Bundeskriminalamtes sich ein düsteres Fazit der Kryptierung zu eigen machen, wie es in dieser Woche von Netzpolitik veröffentlicht wurde. Jedenfalls dann, wenn diese sogenannte Große Koalition weiterhin Bestand hat. Aktuell ist sie eine Versammlung von Kleingeistern, die einander misstrauen, die Schachern, Schludern und Schofeln groß schreiben. Das großspurige Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung interessiert dabei niemanden, es ist ja blos der Unmut über die Schacherei.

*** "Die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass wir uns geirrt haben. Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherzustellen." Dieser Satz von SPD-Parteichefin Andrea Nahles dürfte in die Geschichtsbücher eingehen, sofern sich die Geschichte überhaupt für das Ende dieser Großen Koalition interessiert. Denn niemand hat sich geirrt, als das Triumvirat über die Zukunft von Hans-Georg Maaßen beriet. Andrea Nahles hat sich insofern korrekt verhalten, als sie gegen den Vorschlag stimmte, Maaßen zum Chef des Bundeskriminalamtes zu machen und umgekehrt dessen Chef Holger Münch zum Leiter des Verfassungsschutzes zu berufen. Diese Postenschieberei hätte einen Rechtsausleger zum Chef der obersten Polizeibehörde gemacht, die gerade drauf und dran ist, sich zur "Polizei 2020" umzubauen und mit Sicherheit in einer offenen und digitalen Gesellschaft beschäftigt.

*** Die korrekte Lösung für den Fall wäre ein Umbau des Verfassungsschutzes mitsamt einer Herabstufung von Hans-Georg Maaßen, damit nicht alle vom Peter-Prinzip schwafeln können. Was ist eigentlich schlecht an dem Vorschlag der Grünen, den Verfassungsschutz aufzulösen und zwei Ämter zu installieren, einen wissenschaftlichen Dienst zum Schutz der Verfassung und ein Amt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr? Im letzteren könnte sogar einer wie Maaßen arbeiten, der unfähig ist, über extremistische Bewegungen aufzuklären. Dann muss nur noch Seehofer gehen, am besten vor der Landtagswahl in Bayern. Wieso Kulturschaffende keine Petition haben, in der Maaßen zum Rücktritt aufgefordert wird, muss auch noch geklärt werden. Ansonsten ließe sich unter den 4345 Stellenangeboten des Bundes, der Länder und Kommunen beim brandneuen Bundesverwaltungsportal etwas Passendes finden.

*** Bekanntlich sind Sozialdemokraten wie Andrea Nahles stolz auf ihre lange Geschichte seit der Gründung der ersten Arbeitervereine. Man war eine Partei, die sich als automatische Erbin der bürgerlichen Gesellschaft nach dem unweigerlichen großen Kladderadatsch sah. Man war teilweise eine Partei, die gegen den Weltkrieg war, die nach der glorreichen Novemberevolution vor 100 Jahren die Macht übernahm. Man ging gegen Hitler in den Widerstand und mit den Demokraten nach dem nächsten Krieg in die soziale Marktwirtschaft. Wann die Krise der Sozialdemokratie begann, ist strittig, doch spätestens mit den Programmen von Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder und Tony Blair koppelte man sich von der arbeitenden Bevölkerung ab. Jetzt ist mal wieder eine Abkoppelung fällig, da passt es, wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung an ein historisches Ereignis von "68" erinnert, die Gründung der DKP am 26. September 1968. Auf diesen Schritt reagierte die regierende SPD mit dem Extremistenverbot, einer weiteren Abkoppelung. Womit wir wieder beim leidigen Thema von Verfassung, Bundesamt und Extremismus sind. Der FAZ-Artikel hinter der Paywall endet so: "Eine normale Partei war die DKP nie; sie war verfassungsfeindlich, auch wenn die bundespolitische Elite es vor fünfzig Jahren für opportun hielt, sie zuzulassen."

*** Nach einem Bruch der Großen Koalition dürften Neuwahlen anstehen und der nächste Bundeskanzler Jens Spahn heißen. Als Gesundheitsminister sorgt er dafür, tagtäglich mit einer knackigen Meldung in den Nachrichten aufzutauchen. Mal geht es um die elektronische Patientenakte, mal um die Organspende, mal um die gar nicht so sicheren Apps für das Smartphone, mal um die Arbeitszeiten der Pflegekräfte, die nicht in Krankenhäusern arbeiten. Wenn da von einer Million nur 100.000 schlappe drei, vier Stunden mehr arbeiten, wäre alles gut. Die Realität sieht anders aus. Alles Gute auch bei der elektronischen Gesundheitskarte, wo dieser Tage der erste Meilenstein mit 50 Millionen Datenabfragen und Adress-Aktualisierungen erreicht wurde. Noch wird auf der Karte nichts gespeichert, wobei der Versicherte seine Einwilligung zur Speicherung von Daten dank des Nullstellen-PIN durch die Eingabe einer beim Arztbesuch ausgedachten sechsstelligen PIN dokumentieren muss. Mit dem Medikationsplan und dem Notfalldatensatz wird es spannend werden.

*** Heute vor 180 Jahren wurde Victoria Woodhull geboren. Meistens ist nur bekannt, dass sie lange vor Hillary Clinton die erste Frau war, die in den USA für das Amt der Präsidentin kandidierte. Zusammen mit ihrer Schwester gab Woodhull das "Woodhull and Claflin’s Weekly" heraus, die erste US-Zeitschrift, die das Kommunistische Manifest abdruckte und über das Leben der Frauen in der Pariser Kommune berichtete. Woodhull kämpfte für Gleichberechtigung auf vielen Ebenen, etwa auch für die Zulassung von Frauen als Börsenmaklerinnen (was erst 1968 erlaubt wurde). Mit ihren Ansichten über die freie Liebe und das Recht auf Abtreibung war sie innerhalb der von Männern dominierten Ersten Internationalen eine Außenseiterin. Mit der Equal Rights Party trat sie 1870 in der Präsidentschaftswahl an. Das allgemeine Wahlrecht (das 50 Jahre später kam), der Achtstundentag, die Verstaatlichung der Eisenbahnen und die Abschaffung der Todesstrafe gehörten zu ihren Wahlzielen. Den größten Erfolg hatte sie mit ihren Schriften, die die Gewalt gegen Frauen zum Thema hatte. Daran kann man sich zu einer Zeit erinnern, in der ein US-Präsident sich über Frauen lustig macht, die von Männern bedroht wurden.

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung ist eine ehrwürdige Vereinigung, die im Rahmen der westdeutschen Friedensbewegung entstand. Zum 20. Geburtstag im Jahre 2004 sprach der Gesellschaftskritiker Joe Weizenbaum zu den Informatikern. In diesem Jahr vergibt das FIfF zum ersten Mal eine Auszeichnung, die Weizenbaum-Medaille. Sie wird im Rahmen des FIfFkon 2018 verliehen, der sich mit "Gestaltungsfreiheiten und Machtmuster soziotechnischer Systeme" beschäftigt. Besprochen werden aktuelle Systeme wie die SmartCity-Projekte, das System der Cyberrüstung oder Fragen der künstlichen Intelligenz. Die Weizenbaum-Medaille geht im Rahmen dieser Tagung an Wolfgang Coy, der den Begriff der Turing-Galaxis für unser Computer-Zeitalter in Analogie zur Gutenberg-Galaxis von Marshal McLuhan prägte. Coy steht für eine kritische Informatik, die sich mit den Auswirkungen der Computerei auf die Gesellschaft beschäftigt und kaum noch an deutschen Hochschulen vertreten ist. Entsprechend erinnert der Ausdruck von Coyanerinnen und Coyanern in der FIfF-Meldung zum Preis ein bisschen an die letzten Mohikaner, von denen es am Ende auch nur noch einen gab.

Eine Politaktivistin des Peng!-Kollektivs hat ihr Passfoto mit dem von Federica Mogherini, die als Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist, verschmelzen lassen und sich für 37,50 Euro einen Express Reisepass ausstellen lassen, mit dem nun wohl Beide reisen können.

(Bild: mask.id )

Woanders ist man längst weiter, wenn etwa Dorothea Bär, die Staatsministerin für Digitalisierung nach "Arbeit 4.0" in Berlin den Start der "Society 5.0" bekannt geben wird, stilecht in der neuen NTT-Repräsentanz. Society 5.0 ist, wenn Überwachungskameras nicht vor gefakten Pässen verzweifeln und beide Personen eines Bildes verfolgen können. Aber hach, das kann man ja im Rahmen der anstehenden Privacy Week Berlin erörtern. (bme)