Teamarbeit: "Zurücknehmen, um das Ziel zu erreichen"

Moderne Mitarbeiter sollen Teamplayer sein, dennoch eigenständig arbeiten. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch, erklärt Psychologieprofessor Guido Hertel.

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Von
  • Peter Ilg

Professor Guido Hertel

(Bild: Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

Moderne Mitarbeiter sollen Teamplayer sein, dennoch eigenständig arbeiten. Ein Widerspruch? Nicht für Dr. Guido Hertel, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Uni Münster, denn Selbständigkeit sei ein wichtiger Aspekt von Teamfähigkeit.

heise online: Herr Hertel, ständig wird über Teamarbeit geredet und geschrieben. Ist diese Form der Arbeitsorganisation so bedeutend, dass sie diese Beachtung verdient?

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Guido Hertel: In den letzten Jahren hat der Anteil von Teamarbeit in der Arbeitsorganisation massiv zugenommen. Das liegt vor allem daran, dass das Tempo von Arbeitsprozessen und die Komplexität der Aufgaben angestiegen sind. Zur Lösung solcher Aufgaben ist Teamarbeit als eine Grundarbeitsform ziemlich erfolgreich. Mit deren Hilfe werden schneller Lösungen generiert und sie unterstützt bei komplexen Aufgaben, in denen unterschiedliche Expertisen notwendig sind. Darin hat Teamarbeit Vorteile und das erklärt, weshalb sie so populär ist und sicherlich in den nächsten Jahren bleiben wird.

Was kennzeichnet Teamarbeit?

Ein Team ist eine Ansammlung von Personen, die mit gemeinsamen Zielen Aufgaben bearbeiten. Der Kern ist die gemeinsame Zielsetzung, die dann auch Koordination und Kommunikation erfordert, aber auch Konflikte mit sich bringen kann. Ein Team besteht aus Individualisten, die bilden dann eine Gruppe.

Muss sich der Einzelne zurücknehmen, damit ein Team funktionieren kann?

In Teams muss sich jeder zurücknehmen, sonst funktioniert die Koordination nicht oder die gemeinsame Zielerreichung. Andererseits brauchen Teams Initiative und ein Management oder Selbstmanagement, damit es funktioniert. Die Flexibilität von Teams kommt dann zum Tragen, wenn einzelne Mitglieder Verantwortung übernehmen.

In den meisten Stellenanzeigen suchen Unternehmen Teamplayer, die selbständig arbeiten. Schließen sich die beiden Skills nicht gegenseitig aus?

Tun sie nicht, denn Teams leben davon, dass sie eigenverantwortlich handeln, selbstständig Probleme erkennen, Aufgaben strukturieren und diese selbstständig angehen. Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme des Einzelnen sind zentrale Aspekte von Teamfähigkeit.

Stimmt die Aussage: je besser jedes Teammitglied ist, umso innovativer wird das Ergebnis?

Die Qualifikationserfordernisse der Teammitglieder hängen von der Teamaufgabe ab. Wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln, braucht man innovative Mitglieder. Wenn es darum geht, einen Produktionszyklus abzuarbeiten, dann ist Innovation nicht unmittelbar gefragt.

Es heißt, dass etwa Informatiker wenig teamfähig sind. Stimmt das, und wie ist es mit Menschen insgesamt, die technische Berufe haben?

Das ist ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Es gibt keinerlei Daten aus der Forschung, die bestätigen, dass MINT-Mitarbeiter weniger soziale Kompetenzen haben als andere Beschäftigte. Was man sicherlich sagen kann, ist, dass Interesse und Spaß an Kommunikation Teamfähigkeit begünstigt. Ingenieure etwa sind aufgrund ihrer Ausbildung oft eher sachorientiert, nüchtern und verlieren sich nicht wortreich in langen Gesprächen. Dadurch ist ihre Kommunikation meist sehr effizient.

Sind Frauen die besseren Teamplayer?

Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Frauen eine stärkere kooperative Grundeinstellung haben als Männer. Von den Rollenbildern her sind Männer auf Wettbewerb getrimmt, Frauen eher unterstützend und kooperativ ausgerichtet. Das sind aber Trends, keine absoluten Merkmale. Daraus lässt sich nicht schließen, dass Männer weniger teamfähig sind.

Design Thinking ist ein moderner Teamansatz unter den Management-Methoden. Was macht ihn besonders?

Design Thinking stammt aus der Produktentwicklung und Informatik und zeichnet sich durch hohen Pragmatismus und rasches Entwickeln eines Prototyen aus. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass die Nutzer schon früh mit ihren Anforderungen einbezogen werden. Dabei werden unterschiedliche Leute in einem interdisziplinären Team zusammengebracht, um noch innovativere Ideen als in konventionellen Teams zu entwickeln. Das funktioniert eigentlich auch, wenn eine Reihe von Fallen ausgeschlossen werden, die übrigens dieselben sind, wie in jeder anderen Form von Teamarbeit.

Welche sind das?

Dazu gehört, dass starke Meinungsführer im Team nicht die Ideen anderer Teammitglieder unterdrücken, etwa weil sie nicht offen und richtig kommunizieren oder Konflikte vermeiden wollen. Es gibt einige Regeln in Teams, die man beachten muss, um das kreative Potenzial nutzen zu können.

Braucht ein Team dafür einen, der es leitet?

Ob ein Team einen Manager braucht, hängt von den Kompetenzen seiner Mitglieder ab. Bei unerfahrenen Personen empfiehlt sich eine klare Führungsstruktur. Erfahrene und selbstreflektierte Teammitglieder, die Teamprozesse kennen und wissen, dass man in Teams auch mal Konflikte aushalten muss, um wirklich innovative Lösungen zu finden: Solche Teams brauchen keinen Manager. Hier ist jedoch eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung hilfreich, etwa wer sich darum kümmert, dass alle einbezogen werden, oder darum, dass das Team sich nicht zu früh auf eine vermeintlich gute Lösung stürzt und andere, viel bessere Lösungen übersieht. (axk)