Ein geländegängiger Rollstuhl meistert Treppen

Rollstuhlfahrer haben es im öffentlichen Raum immer noch schwer. Der Scewo Bro soll helfen.

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Ein geländegängiger Rollstuhl meistert Treppen

(Bild: Scewo)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Allzu oft scheitern Behinderte an unebenem Gelände, Bordsteinen, Schwellen und vor allem den vielen Treppen. Als der Schweizer Maschinenbaustudent Bernhard Winter im Jahr 2014 nach einem Projekt für seine Abschlussarbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich suchte, dachte er: Gut wäre ein sich ausbalancierender Roboter, der auch Treppen steigen kann. Am Ende entstand ein Rollstuhl, der nicht nur Treppen erklimmen, sondern auch viele andere Hindernisse zu überwinden vermag, etwa Einstiege in Busse und Straßenbahnen.

Bereits 2015 hatten er und neun weitere Studenten, unter anderem auch von der Zürcher Hochschule der Künste, den ersten Prototyp fertiggestellt. Dank einer Kombination aus großen Rädern und raupenartigen Bändern konnte das erste "Scalevo"-Modell nicht nur Treppen bezwingen, sondern auch den Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel meistern. Dabei balanciert sich der Rollstuhl, ähnlich wie ein Segway, selbst aus. Vor zwei Jahren nahmen die Entwickler mit dem Prototyp am Cybathlon teil, einem Wettkampf der Hilfsmittel für körperlich Behinderte. Spätestens seit diesem Einsatz ist die Resonanz groß: Viele Millionen Interessierte aus aller Welt verfolgen auf den seither ins Netz gestellten Video-clips die Entwicklung des Gefährts.

Beeindruckt von dem großen Zuspruch entschied das Team, den Rollstuhl zur Marktreife zu bringen. Dafür gründete Winter zusammen mit Pascal Buholzer und dem Industriedesigner Thomas Gemperle 2017 das Start-up Scewo in Winterthur. Nach gut einem weiteren Jahr Entwicklungsarbeit konnten sie ihr Gefährt – den "Scewo Bro" – jetzt der Öffentlichkeit vorstellen.

Er solle "auch ein Lifestyle-Produkt" sein, sagt Winter. "Ein enger Freund, auf den man sich jederzeit verlassen kann." Deshalb auch das Bro für "Brother" im Namen. Gemperle ergänzt: "Rollstuhlfahrer werden ganz anders wahrgenommen, wenn ihr Gefährt nicht nach Behindertenhilfe aussieht."

Dazu gehört beispielsweise auch, dass sich der Sitz bis auf 90 Zentimeter hochfahren lässt, um mit anderen Personen auf Augenhöhe kommunizieren oder einen hoch gelegenen Gegenstand greifen zu können. Für die Fortbewegung auf normalem Untergrund kommen die beiden großen Räder zum Einsatz. Sie können unabhängig voneinander vorwärts und rückwärts laufen, was das Gefährt wendig macht. Bei rutschigem Untergrund, steilen Passagen oder bei einer Treppe kann in den Raupenmodus geschaltet werden. Dafür wird die Treppe rückwärts angefahren, der Raupenantrieb senkt sich ab. Vorn stützen die Bänder, während sie hinten beginnen, die Stufen zu erfassen und den Rollstuhl nach oben zu bewegen.

Bis zu 36 Prozent Steigung überwindet der Scewo Bro. Auf ebenerdiger Strecke erreicht er zudem eine Geschwindigkeit von bis zu zehn Kilometer pro Stunde. Bedient wird das Gefährt mithilfe eines Smartphones oder mit dem integrierten Joystick.

Erste Bestellungen in der Schweiz sind jetzt möglich. Die Auslieferung beginnt vermutlich Ende 2019. Hat das Team weitere Erfahrungen gesammelt, "wird auch der Export, etwa nach Deutschland, starten", kündigt Pascal Buholzer an.

(bsc)