Was war. Was wird. Auf Patrouillendienst am Rande der Unmündigkeit

Markus Söder will ins All, hat dabei aber offenbar die Blockchain vergessen. Anderen passieren solche Schnitzer nicht, hat Hal Faber beobachtet.

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Was war. Was wird. Auf Patrouillendienst am Rande der Unmündigkeit

Umweltschützer oder doch Spion? Wer weiß das noch so genau?

(Bild: stevepb)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer – und das nun mehr zum tausendsten Mal, seit 18 Jahren –, möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Huch, wer will denn da ins All?

(Bild: Bavaria/WDR)

*** Potztausend, es geht weiter, nicht nur mit dieser Wochenschau. In Meppen qualmt es weiter. Der Verfassungsschutz wird weiter von Hans-Georg Maaßen an allen Hetzjagden vorbei geleitet. Kanzlerin Merkel bleibt im Amt, drölfzig Kommentaren zum Trotz, dass mit der Wahl von einem Ralph Brinkhaus ihr Stündlein geschlagen hat. Jens Spahn muss halt weiter warten, bis er Kalif werden kann anstelle der Kalifin. Mal eben in die USA fliegen und überraschend Verteidigungsfragen besprechen, das kann der Gesundheitsminister. Derweil werkelt sein Haus an einer Fristverlängerung im größten deutschen IT-Projekt: Ärzte bekommen ein halbes Jahr mehr Zeit für die Online-Anbindung der Praxen. Es ist eine schwere Geburt.

*** Lena und Sajid bekommen ein Kind in der Weltstadt der Homöopathie. Wenn es auf der Welt ist, wollen besorgte Deutsche es als Fußball benutzten. Wo es niemals zu Hetzjagden gekommen ist, lässt die Bundesanwaltschaft Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe "Revolution Chemnitz" verhaften. Bundesinnenminister Horst Seehofer, der nach wie vor die Expertise von Hans-Georg Maaßen außerordentlich schätzt, steht bekanntlich über den Dingen und wird von der Zeitung mit dem klugen Kopf als Meisterdenker verehrt.

*** Markus Söder bereitet sich unterdessen den Abflug der Bavaria One vor, den ersten bayerischen Satelliten im Weltall, dem eine weißblaue Raumstation folgen soll, mit Söder als Nachfolger von Cliff Allister McLane. Bayern – unendliche Welten. Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und die bayerischen Kolonien im Weltraum mit dem Biergarten auf dem Mars. Vergessen ist der ganze Krams mit der Bayernwahl, die neue Leichtigkeit zieht. "Seid umschlungen, Mond und Schafe", freut sich die kluge Zeitung über Söders Inszenierung des idealen Oberbayerns auf Instagram: "Bevor Söder sich um Menschen kümmert, die nicht aus Bayern stammen, bajuwarisiert er lieber erst einmal das Weltall", steht hinter einer Paywall geschrieben. Aber vielleicht hat Markus Söder auch den Philosophen Emmanuel Levinas gelesen, der zu Beginn der Raumfahrt über ihr Wesen schrieb: "Die Entwicklung der Technik ist nicht die Ursache — sie ist bereits die Wirkung dieses Leichterwerdens der menschlichen Substanz, die sich ihrer nächtlichen Schwergewichte entledigt." Gut, bei Söder klingt das nicht so philosophisch, aber zumindest diese Ansage hat es in sich: "Wir investieren in Digitalisierung, Robotik, künstliche Intelligenz, Hyperloop und Raumfahrt und entwickeln sogar Quantencomputer." Letzteres ist der Tatsache geschuldet, dass ZITiS in Bayern angesiedelt ist und das Brechwerkzeug für staatliche Entschlüsselungen sein soll.

*** Nur komisch, dass die Blockchain bei Söder fehlt. Hat denn niemand dem Mannsbild erklärt, wie die Blockchain funktioniert? Ist doch ganz einfach. Andere Politiker verstehen das doch auch. Man schaue sich die Brexit-Experten wie den britischen Finanzminister Philip Hammond an, der es in etwa so sagte: "Ich habe keine Ahnung, wie es funktioniert, aber ich habe mir sagen lassen, dass unsere Grenze in Irland mit der Blockchain gesichert werden kann." Was kommt als nächstes? Energiespiralen an den Grenzpfosten? Kann es sich Bayern angesichts der Länge seiner Landesgrenzen leisten, diese nur mit Hyperloop und künstlicher Intelligenz zu sichern? Am nächsten Sonntag werden wir es wissen. Vielleicht fliegt dann einer jetzt schon mit der Bavaria One ab: am Rande der Unendlichkeit ist Vieles möglich.

*** Andere Länder als Bayern, andere Sitten: Das gern erwähnte Social Scoring System in China gebiert nicht den computerunterstützten Überwachungssataat, den Orwell vorab beschrieben hat. Nein, die Software tut nur Gutes und produzierte eine Win-Win-Situation: "Der Staat vertraut seinen Bürgern, die Bürgerinnen ihren Verwaltungen. Endlich werden Steuern bezahlt, wird Betrügern das Handwerk gelegt, überhaupt benehmen sich alle besser. Dank Sozialkredit." Ja, warum führen wir dann nicht auch so ein System ein? Wo doch bei uns schon kaum mehr über Predictive Policing gesprochen und diskutiert wird, sondern über gemeinwohldienstliche Software-Systeme. Derweil darf gerätselt werden, ob der in China verschwundene Interpol-Chef etwas mit den Winz-Chips zu tun hat, die angeblich in vielen Computern nisten sollen, sozusagen als Hardware-Meldesystem.

*** In dieser kleinen Wochenschau fehlen noch die russischen Spione, die zusammen mit der Bechsteinfledermaus im Hambacher Forst in den Bäumen lebten und vor dort aus die nordrhein-westfälische Landesregierung torpedierten. Dass alleine der Protest der Ökos in die sinnlose Abholzung des Waldes, behütet und beschützt von anonymen Tausendschaften der Polizei, den Widerstand abgab, das glaubt ja kein Mensch. Da muss einfach "der Russe" dabei gewesen sein, der überall mit von der Partie ist. Das wird sicher irgendein vergessener Laptop oder eine Speicherkarte zeigen. Das Beispiel aus den Niederlanden zeigt, mit welcher Flappsigkeit heutzutage spioniert wird. In den USA wird das Vorgehen nicht als Spionage, sondern als kriminelle Aktion bewertet. Kein Vergleich mit der OpSec früherer Tage, als es noch zwei deutsche Staaten und einen kalten Krieg gab. Einerseits. Andererseits ist es schon lustig, wie heute die Floskel "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eingesetzt wird. Nur das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik macht da nicht mit: "Das BSI äußert sich grundsätzlich nicht zur Zuordnung von Tätergruppen, weil dies nicht in seine Zuständigkeit fällt. Das BSI hat daher die Zuordnung von ATP28 zum russischen Geheimdienst weder dementiert noch bestätigt."

*** Während sich der Präsident der USA zu der Ansicht versteigt, "rüde Frauen" hätten, finanziert von George Soros, die Bestallung seines Favoriten Brett Kavanaugh zu einem der obersten Richter der USA behindert, haben Nadia Murad und Denis Mukwege den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen. Natürlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen Berufung und Auszeichnung, aber eine innere Logik gibt es, ein Jahr nach dem Start der MeToo-Debatte schon: Vergewaltigung im Krieg und der sexuelle Missbrauch im Alltag sind zwei Seiten, gegen die Konsens und Respekt der Menschenrechte stehen. Die Unermüdliche und der Heiler sind eine gute Wahl. Und wer hätte geglaubt, dass ein Hashtag in den Social Media-Niederungen zu einem Dialog führen würde und die Personen des Jahres bestimmte? Das ist das Positive.

(Bild: unteilbar.org )

*** Noch ein Hashtag gefällig? Am kommenden Samstag wird Berlin #unteilbar werden, mit einer Demonstration für eine offene und freie Gesellschaft. Geplant ist eine Großdemonstration gegen die Ausgrenzung und den Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft, aber auch gegen Überwachung, die Verschärfung der Polizeigesetze und die Vorratsdatenspeicherung, gegen die der Block Freiheit statt Angst demonstriert. In der Annahme, dass auf der anstehenden Konferenz der Bundesinnenminister in Magdeburg ein Musterpolizeigesetz für Deutschland gezimmert wird, sei gleich auf die nächste Aktion #unheimlichsicher verwiesen, die ein Zeichen gegen den irrlichternden Bundesinnenminister und seine Pläne setzen möchte.

*** Ich habe keine Ahnung, wo der perfekte Traum geträumt werden könnte und wo sich Freddie Mercury und Montserrat Caballé nun treffen könnten. Aber es beruhigt ungemein, dass es dieses wunderbare Treffen gegeben hat und in dieser Form aufgezeichnet wurde. Freunde bis ans Ende. Viva!

(mho)