DSGVO: "Das Thema hat jahrelang niemanden interessiert"

Am 25. Oktober ist die Datenschutzgrundverordnung fünf Monate in Kraft. Netzjournalist Patrick Beuth äußert sich im TR-Interview über den ausgebliebenen digitalen Weltuntergang.

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Datenschutzgrundverordnung: "Das Thema hat jahrelang niemanden interessiert"

(Bild: "Please!" / Josh Hallett / cc-by-2.0)

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Beuth ist Redakteur im vielgelesenen Ressort Netzwelt von "Spiegel Online". Zuvor war er sieben Jahre in der Digitalrubrik von "Zeit Online".

Technology Review: Die Datenschutzgrundverordnung ist nun seit fast fünf Monaten in Kraft. Mussten Sie über den "digitalen Weltuntergang", den manche Experten vorausgesagt haben, berichten?

Patrick Beuth: Ja, ich habe kurz vor dem Start der DSGVO geschrieben "am Freitag ist Weltuntergang", aber dann erklärt, warum ich das nicht so pessimistisch sehe. Die Stimmungslage war ja nur so düster, weil das Thema jahrelang niemanden interessiert hat. Nicht, als ich Anfang 2012 zum ersten Mal über die Pläne der EU-Kommission berichtet hatte, und danach erst recht nicht. Erst Anfang 2018 schienen allen betroffenen Unternehmen, Branchen und Berufsgruppen zu verstehen, dass sie sich vorbereiten müssen.

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Also viel Lärm um nichts?

Von "nichts" kann keine Rede sein. Eine EU-weite Reform, die nach sieben Jahren Arbeit (die Konsultationsphase nicht eingerechnet) und einem mit allen Mitteln geführten Lobbykampf wirksam wird, weltweit Beachtung erfährt und den Umgang mit persönlichen Daten auf wahrscheinlich Jahrzehnte hinaus maßgeblich mitregelt, ist schon ein Meilenstein.

Ein zentrales Thema in Deutschland waren die sogenannten Abmahnungen, die man in Skandinavien so nicht kennt. Dabei können Unternehmen sich untereinander gegen teils Tausende Euro Gebühr Unterlassungserklärungen zusenden, wenn sie im Geschäftsverkehr Fehler begangen haben. Auch bei der DSGVO wurde befürchtet, dass diese in Deutschland eine Abmahnwelle lostreten könnte. Ist es dazu gekommen?

Nein. Zumindest habe ich nur von wenigen und zum Teil lächerlichen Versuchen gehört. Aber vielleicht gibt es Fälle, in denen die Beklagten die rechtliche Gegenwehr scheuen oder sich nicht leisten können. Die zahlen dann lieber die Abmahnkosten und alle Beteiligten reden nicht weiter davon.

Könnte es noch dazu kommen?

Schwer zu sagen. Erst einmal müssten einige Fälle gerichtlich geklärt werden, möglichst in den höheren Instanzen, dann bekommen wir einen besseren Eindruck. Die Bundesregierung arbeitet aber auch schon einem Gesetz, das Abmahnungen auf Grundlage der DSGVO zur reinen Generierung von Einnahmen – also als Geschäftsmodell – unterbinden soll.

Hat sich die DSGVO auf Ihren Alltag als Journalist ausgewirkt?

Nein.

Profifotografen hatten befürchtet, dass sie bei der Arbeit im Freien künftig Einverständniserklärungen benötigen, wenn sie etwa Gruppen "abschießen". Hat es hier Probleme gegeben?

Es gab und gibt eine gewisse Verunsicherung. Ich nehme an, auch hier wird manches erst vor Gericht geklärt werden. Was bei EU-Verordnungen ja auch normal wäre – die müssen interpretiert werden und da kann es je nach Gericht zu verschiedenen Resultaten kommen.

Es gab Bedenken, wonach die DSGVO vor allem kleineren Unternehmen schaden könnte, wohingegen große Konzerne wie Facebook und Google, die als Datenkraken eigentlich getroffen werden sollten, dank "Anwaltspower" keine Probleme mit der Verordnung haben. Ist das eine berechtigte Furcht?

Die großen US-Unternehmen sind in einem größeren Maßstab von der DSGVO betroffen, ihre Anwälte haben wahrscheinlich entsprechend mehr zu tun. Außerdem kann eine kleine Firma nicht einfach sagen "Wir haben kein Geld für Datenschutz". Dann haben sie halt kein funktionierendes Geschäftsmodell. Datenschutz ist ein Grundrecht, kein nice-to-have.

In Deutschland gibt es Friseure, Arztpraxen und Tante-Emma-Läden, die von Ihren Kunden DSGVO-Unterschriften verlangen. Alles Panik?

Das kann ich pauschal nicht beurteilen. Ich habe aber den Eindruck, dass viele Praxen und Geschäfte glauben, sie bräuchten für alles eine Einwilligung. Dabei stehen in Artikel 6 der DSGVO auch andere sogenannte Erlaubnistatbestände wie etwa das "berechtigte Interesse" an der Datenverarbeitung oder die Notwendigkeit zur Erfüllung eines Vertrags. Natürlich kann eine schriftliche Erlaubnis nicht schaden, aber das allein macht eine Firma ja auch nicht DSGVO-konform.

Haben Sie das Gefühl, dass die Macht von Facebook und Google nach dem Start der DSGVO abgenommen hat?

Das Gefühl habe ich nicht, nein. Der Hack von 50 Millionen Facebook-Konten dürfte das Unternehmen ziemlich ins Schwitzen gebracht haben – nicht zuletzt wegen der strengen Informationspflichten der DSGVO.

(bsc)