Der Buchverkäufer, der zum 800-Pfund-Gorilla wurde: 20 Jahre Amazon.de

Vor 20 Jahren ging der .de-Ableger von Amazon.com online und verkaufte sein erstes Buch. Heute dominiert die Site den deutschen Onlinehandel wie keine zweite.

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Der Buchverkäufer, der zum 800-Pfund-Gorilla wurde: 20 Jahre Amazon.de

Amazon.de vor 20 Jahren.

(Bild: Amazon)

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Am 15.10.1998 ging in Deutschland die Website eines US-Unternehmens online, das in den folgenden Jahren wie eine Dampfwalze über den deutschen Handel rollen sollte: Amazon.de. Das erste bestellte Produkt war das englischsprachige Software-Lehrbuch "Mastering Simulink 2", das damals noch vom einzigen Standort in Regensburg versandt wurde. Mit einem Angebot von 900.000 deutschen und englischen Büchern ging der .de-Ableger von Amazon.com damals an den Start.

Zuvor war die ABC Bücherdienst GmbH aus Regensburg in Amazon aufgegangen, das Regensburger Unternehmen hatte bereits 1995 den Onlineshop telebuch.de betrieben. Von dem paar Dutzend Mitarbeitern, die beim Start dabei waren, sind laut Unternehmensangaben noch sieben für Amazon tätig. Sieben von inzwischen 16.000 festangestellten Mitarbeitern an 30 Standorten, die Amazon 2018 in Deutschland beschäftigt. 12.000 davon in den 12 eigenen Logistikzentren, die Amazon inzwischen in Deutschland betreibt – und die immer wieder ein beliebtes Streikziel für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bieten, wenn auch mit wenig Erfolg.

Der Bücherkatalog von damals mutet bei den rund 300 Millionen Produkten, die der Alleshändler inzwischen anbietet, sehr bescheiden an. Mit Medien, Apps, Elektronikartikeln, Mode, Möbeln, Drogeriewaren, Lebensmitteln, Musik- und Videostreaming, praktisch allem, was man sonst noch braucht, und dazu einer KI-Assistentin sowie einem Stall eigener Hardware on Top ist Amazon längst ein untrennbarer Teil des Alltagslebens vieler Bundesbürger geworden. Zugleich ist man mit Marketplaces auch noch die Plattform für zahlreiche kleinere Händler. Und selbst wer nicht beim Giganten kauft, nutzt ihn doch gerne als Produktsuchmaschine.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut dem Handelsinstitut EHI liegt das Unternehmen mit fast 9 Milliarden Umsatz unangefochten auf Platz eins der deutschen Onlinehändler. Rund dreimal soviel wie die deutsche Nummer zwei Otto umsetzt. Dem Handelsmonitor des Verbands HDE zufolge fallen knapp 46 Prozent der Online-Handelsumsätze auf Amazon.de (25 Prozent aus den Marketplaces mit eingerechnet). Und dass die Lastschrift zu den wichtigsten Online-Bezahlverfahren hierzulande gehört, ist wohl auch nicht unwesentlich ein Verdienst Amazons.

(Bild: EHI)

Sofern die Politik nicht regulierend einschreitet, dürfte dieser 800-Pfund-Gorilla in Deutschland das unangefochtene Alphatier im Online-Handel bleiben. Aber vielleicht ist das auch gar nicht mehr die Konkurrenz, die Amazon im Auge hat. 85 Prozent des Handels fänden schließlich immer noch in der Offline-Welt statt, erklärte Gründer und CEO Jeff Bezos kürzlich – für ihn ein Argument, dass Amazon keineswegs ein Monopolist sei. Noch nicht zumindest, möchte man unwillkürlich ergänzen.

Denn dass der Konzern mit großer Macht zum physischen Ladengeschäft drängt, ist offensichtlich. In den USA betreibt Amazon keineswegs ironisch gemeinte eigene Buchläden, dazu automatisierte Lebensmittel-Shops ohne Kassen, "4-Sterne-Stores" und nicht zu vergessen leistete man sich auch die Biomarktkette Wholefoods. Und in Deutschland? Da möchte der Handelskonzern Metro gern seine angeschlagene Kette Real loswerden. Die Metro wirbt mit rund 280 Filialen in Deutschland sowie einem attraktiven Immobilienportfolio um Käufer – entsprechend schießen die Spekulationen ins Kraut, ob sich Amazon nicht einen dicken Fuß in der Tür des deutschen Lebensmittelgeschäfts sichern möchte.

Die Liaison Amazons mit seinem zweitwichtigsten Markt Deutschland bleibt spannend. Stillstand entspricht jedenfalls nicht der Denkweise, die Jeff Bezos seinem Unternehmen eingeimpft hat. Für Amazon ist seiner Philosophie nach immer Tag Eins. (axk)