Straßenverkehr ist kein Krieg

Wenn Radfahrer Fußgänger töten, ist das meist kein Verkehrsunfall, sondern die Folge von Aggressionen. Wir brauchen Mittel gegen die Gewalt im Straßenverkehr.

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Von
  • Anton Weste

Haben die nicht mehr alle Tassen im Schrank? So konnte man über Fahrradfahrer denken, wenn man die Nachrichten der letzten Zeit verfolgte. Auf einem Wanderweg in Bergisch Gladbach stritt sich ein Fahrradfahrer mit einer Frau im Rollstuhl, die angeblich die Durchfahrt blockierte. Er schob sie an einen Abhang, den die Rollstuhlfahrerin anschließend hinabstürzte. In Hannover schlug ein Radfahrer einen Fußgänger zusammen, nachdem dieser ihm in den Fahrweg gelaufen war. Der Fußgänger starb an den Verletzungen.

Das sind einerseits keine typischen Ausgänge von Verkehrskonflikten mit Fahrradbeteiligung. Fahrradfahrer sind bei Verkehrsunfällen mit Todesfolge nach wie vor eine der verletztlichsten Gruppen. 2017 kam es in Deutschland zu 137 tödlichen Unfällen zwischen Fahrrädern und PKW nach Zählung des Statistischen Bundesamts. Dabei getötete Radfahrer: 137. Getötete PKW-Insassen: 0. Bei den 7 tödlichen Unfällen in der Konstellation Fußgänger-Fahrrad starben 4 Fahrradfahrer und 3 Fußgänger.

Andererseits werden die oben geschilderten Fälle aber nicht in der Verkehrsunfallstatistik auftauchen. Körperverletzung oder Tötung fanden nach der Verkehrssituation statt, auch wenn diese den Ausgang der fatalen Entwicklung darstellt. Gefühlt ist Aggression im Straßenverkehr ein wichtiger Faktor bei Unfällen oder Gewalttaten, die nach Verkehrskonflikten entstehen. Zahlen werden dazu jedoch nicht erfasst. Die Unfallforschung der Versicherer schätzt, dass etwa ein Drittel aller Verkehrstoten auf aggressive Handlungen im Verkehrsgeschehen zurückgehen.

Dabei wäre eine umfangreiche Forschung zur Verhinderung von Gewalt im Straßenverkehr wünschenswert. Einige Maßnahmen liegen auf der Hand. Eine Verkehrstelematik kann für einen besseren Verkehrsfluss sorgen und den Stress und Frust bei Staus reduzieren. Erweiterte Fahrassistenzsysteme könnten Delikte wie Rechtsüberholen, zu dichtes Auffahren und Geschwindigkeitsüberschreitungen erkennen und erschweren. Und natürlich hilft auch die Trennung der Verkehrswege für unterschiedliche Verkehrsteilnehmer, wo möglich.

Bleibt noch die Arbeit am Verkehrsteilnehmer selbst: Der Verkehrsunterricht sollte stärker auf die Entwicklung einer Verkehrspersönlichkeit eingehen. Wer durch vermehrt aggressives Verhalten auf der Straße auffällt, könnte schneller zu psychologischen Schulungen verpflichtet werden. Und letztlich kann jeder einzelne mehr Rücksichtnahme und Gelassenheit leben und das eigene Verhalten hinterfragen. Karl-Firedrich Voss vom Bundesverband der niedergelassenen Verkehrspsychologen sagt etwa über Fahrradfahrer: "Sie fühlen sich oft als privilegierte Verkehrsteilnehmer, weil sie umweltfreundlich unterwegs sind und von ihnen ein passives Gefährdungspotential ausgeht."

(anwe)