Kommentar zur DSGVO-Posse: Klingelschilder sind die neuen Gurken

Dass wegen der DSGVO Namensschilder neben der Klingel verschwinden, ist vermutlich Quatsch. Doch die Schilder-Posse könnte der DSGVO noch lange nachhängen.

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DSGVO: Worauf sich die Datenschutz-Aufsichtsbehörden konzentrieren
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220.000 Wiener-Wohnungen sollen die Namensschilder neben der Klingel verlieren, die Bild druckt "Unsere Klingel-Schilder sollen weg!" auf ihre Titelseite und schon ist unter Internet-Kommentatoren großflächige Idiotie ausgebrochen. Tenor: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nimmt unsere Namen neben der Türklingel weg (hier stellen Sie sich bitte 13 Ausrufezeichen vor. Aus Gründen des guten Geschmacks werden sie hier nicht abgebildet). Doch der Internet-Mob liegt daneben.

Ein Kommentar von Marvin Strathmann

Marvin Strathmann arbeitet als Redakteur für heise online. Zuvor hat er für Chip Online, Focus Online, Zeit Online und die Süddeutsche Zeitung über Digitales geschrieben.

Irrsinn, Wahnsinn, Regulierungswut. Der ganze Hass auf die DSGVO ergießt sich in den Kommentarspalten und Foren im Netz. Mit der Energie, mit der all die wütenden Tipper in die Tasten hauen, könnte man vermutlich ganz Wuppertal 24 Stunden lang mit Strom versorgen. Und am Ende ist all die Wut und Aufregung umsonst, wie so oft, wenn sich der Kommentarmob auf die DSGVO einschießt: Mehrere Datenschutz-Experten haben dem von Bild so sehr herbeigeschriebenen Klingelschild-Chaos und Datenschutz-Irrsinn bereits eine Absage erteilt. Und der wütende Kommentator steht doof da.

Doch diese Posse könnte Nachwirkungen haben: Was Gurken für die EU sind, könnten Klingelschilder für die DSGVO werden. 1988 legte die EU Normen für Gurken samt Krümmung fest. Die Gurkenverordnung wurde zum Symbol für einen vermeintlichen Regulierungswahnsinn und wird auch heute noch gerne aus dem Schrank geholt, wenn die EU gebasht werden soll. Dass es die Verordnung seit 2009 nicht mehr gibt und sie trotz ihrer Abschaffung von Bauern befolgt wird, interessiert den 08/15-EU-Hasser natürlich weniger. Schließlich wollten Eurokraten die Krümmung von Gurken bestimmen und damit unser Leben (13 Ausrufezeichen, Sie wissen schon).

Ähnliches droht nun der DSGVO. Denn wen interessieren schon Fakten, wenn man die Grundverordnung nicht mag? Die Klingelschild-Posse kann der DSGVO noch lange nachhängen und die Kommentare, die demnächst unter Artikeln zur DSGVO erscheinen werden, sind nicht schwer vorherzusehen: "Mit der DSGVO sollten ja schon Namen an den Klingelschildern verboten werden", "DSGVO? Klingelschilder sag ich da nur", "DSGVO-Irrsinn mit Klingelschildern" und so weiter. Da die EU die Datenschutz-Grundverordnung erlassen hat, kann man sie gleich mit anpampen. Der Internet-Hater schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ein wenig mehr Gelassenheit würde allen guttun, besonders wenn es um die DSGVO geht. Viele Befürchtungen im Vorfeld sind nicht eingetreten und ein Klingelschild-Irrsinn wird es wohl auch nicht geben (str)